Echt schlaue Sprüche gehören zum Alltag dazu. Weisheiten, die einordnen, was Menschen vor einem erfahren und kommentiert haben. Man spielt munter mit Einsichten, in denen die Erfahrungen von Generationen verpackt sind. Solche Worte können zum Schmunzeln bringen, einen nachdenklich stimmen, mit Kopfnicken als hilfreich für die eigene momentane Situation empfunden werden. Das ist der Glücksfall.
Es gibt allerdings althergebrachte Sätze, die einen das Fürchten lehren. Meine Mutter pflegte zu sagen: „Wer am Morgen singt, den holt am Abend die Katz.“ Das wirkt bei guter Laune in der Früh perspektivisch nicht gerade motivierend. Die Drohung vom Vogel, der abends verfrühstückt wird, verursacht schlimmstenfalls Angst. Wer so redet, will vermeintlich vor verfrühter Freude und damit vor Schaden bewahren. In Wahrheit versaut man anderen die Stimmung und damit den ganzen Tag. Warum nicht sofort glücklich sein, selbst wenn die Laune später umschlägt?
Also lieber abwarten und Tee trinken? Das ist gut, wenn einen kein Glücksgefühl, sondern ein Wutrausch hinwegzureißen droht. Bei so einem Anfall wartet man besser ab, bevor man Dinge sagt oder tut, die weder ungeschehen noch ungesagt gemacht werden können. Einer der Sätze, die ich, wie viele Frauen meiner Generation, gerne übernommen habe und auch lebe, der lautet: „Keinen Weg leer gehen!“ Wer Post aus dem Briefkasten holt, kann anschließend den Einkaufswagen im Keller abstellen oder Papiermüll in die Tonne bringen: nur eine Strecke statt dem vielfachen Hin und Her. Mit der Gießkanne auf den Balkon – da lässt sich gleich gut Unkraut zupfen und mit zurücknehmen. Nicht leer gehen.
Klar darf man sich nicht überfordern. Ich zum Beispiel besitze leider nicht die Jonglierfähigkeit einer Bierzelt-Kellnerin. Sobald ich versuche, den Weg nicht bloß nicht leer zu gehen, sondern übervoll, scheitere ich im Wortsinn krachend. Zudem ist eine ellenlange To-do-Liste für unterwegs – und sei es nur vom Arbeitszimmer in die Küche – gelegentlich eine zu hohe Forderung an sich selbst. Rezepte oder Liebesgedichte landen auf der Waschmaschine und die Armbanduhr neben der Brotschneidemaschine. Das ist (meistens) keine Alterserscheinung, sondern die Überlaufanzeige des Gehirns. Zu viel.
Trotzdem: keinen Weg leer gehen. Es muss ja nicht immer ein Paket an Aufgaben sein, die man herumschleppt. Manchmal reicht es, gute und freundliche Gedanken mit sich zu führen. Davon gibt es sowieso zu wenig.