München – Kein Tier hat Alfred Stier so viele Sorgenfalten beschert, wie der Fischotter. Der 56-Jährige ist Fischzüchter im oberpfälzischen Bärnau – dort hat er rund 300 Teiche, in denen er Fische züchtet. Im Mai hat er in einem Becken 4000 kleine Störe gesetzt, berichtet er. „1370 sind heute noch übrig“, sagt er. „Die anderen hat sich der Fischotter geholt.“ Oder er hat sie schwer verletzt auf den Wiesen liegen gelassen – wo dann der Fuchs zugeschlagen hat.
Stier weiß von vielen Kollegen, die wegen des Fischotters Existenzängste haben. Die Population des Fisch-Räubers ist in den vergangenen Jahren in Bayern enorm gewachsen. Lange war der Fischotter fast verschwunden, seit den 90ern breitet er sich wieder aus, vor allem in der Region rund um den Bayerischen Wald. Nach offiziellen Schätzungen gibt es in Niederbayern und der Oberpfalz 650 Fischotter. Alfred Stier sagt, es seien deutlich mehr. „Die Hochrechnungen stimmen nicht.“ Die Population wachse um 10 bis 30 Prozent – das bedeutet für die Zukunft vor allem eines: Es wird künftig weniger Fische in Bayern geben.
Die Schadensmeldungen haben sich seit 2016 fast verzehnfacht, berichtet das Landwirtschaftsministerium. Deshalb hat die Staatsregierung reagiert und für die Oberpfalz und Niederbayern eine Verordnung erlassen, die die Entnahme des Fischotters ohne Einzelgenehmigung möglich macht. Aufwendig sei es immer noch, betont Stier. Es gebe dafür einen Kriterienkatalog. Die Fischotter müssen in Lebendfallen gefangen werden, bis November dürfen nur die Tiere erlegt werden, die weniger als vier oder mehr als acht Kilo wiegen. Die anderen müssen ausgesetzt werden. „Seit es diese Verordnung gibt, ist nicht ein Fischotter in Bayern erlegt worden“, betont er. Das Ministerium bestätigt das.
Und das könnte so bleiben. Denn das Aktionsbündnis Fischotter aus Niedersachsen hat beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen die Ausnahmegenehmigung geklagt, die den Abschuss von Fischottern in einigen Regionen Bayerns erlaubt. Sie widerspreche jeglichen Schutzvorschriften für besonders geschützte Tierarten, zu denen der Fischotter zählt, argumentiert der Verein. Obwohl sich der schon fast ausgerottete Fischotter in Bayern wieder ausbreite, befinde er sich noch nicht im dem erwünschten guten Erhaltungszustand. Schon in der Vergangenheit hatte der Verein dreimal gegen erteilte Ausnahmegenehmigungen für die Entnahme des Fischotters geklagt – jedes Mal bekam er vor dem VGH Recht. „Dass das Raubtier Otter nun anscheinend zur Stimmungsmache im bayerischen Wahlkampf herhalten muss, ist mehr als traurig“, sagt Matthias Geng, der Vorsitzende des Aktionsbündnisses. Er kritisiert, dass die bayerische Verordnung das Töten von Fischottern im Umfeld von 200 Metern um gewerbliche Teichanlagen erlaubt, ohne dass es eine Genehmigung im Einzelfall bedarf. Auch Kontrollen seien nicht vorgesehen. Die von Februar bis November vorgesehenen Lebendfallen würden eine hohe Verletzungsgefahr für die Tiere bedeuten.
Mit der Klage hat der Verein auch einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Damit kann die Verordnung ausgesetzt werden, bis der VGH über die Klage entschieden hat. Der Freistaat habe drei Wochen Zeit, um zu reagieren und Unterlagen vorzulegen, dann kann der Verein erwidern, erklärt ein VGH-Sprecher. Noch im Herbst könnte die Verordnung außer Kraft gesetzt werden. Und es könnten weitere Klagen dazukommen. Der Bund Naturschutz in Bayern prüft aktuell, ob er auch gegen die Verordnung vor Gericht ziehen will, sagt ein Sprecher.
Für Fischzüchter wie Alfred Stier ist das eine Hiobsbotschaft. „Dann hängen wir wieder monatelang genauso in der Luft wie vorher“, sagt er. „Für uns Teichwirte ist das eine Katastrophe.“ Er ärgert sich maßlos über den Verein. „In Niedersachsen gibt es riesige Teiche, dort ist der Fischotter lang nicht so ein großes Problem wie bei uns.“ Es gehe nicht darum, den Otter auszurotten, betont er. „Aber wir müssen ihn hegen.“ Stier hat in den vergangenen Jahren einen Millionenbetrag investiert, um einen Teil seiner Zucht in Hallen zu verlegen. Dort sind die Fische geschützt. „Ich schau nicht zu, wie meine Zucht kaputtgeht“, sagt er. „Aber solche Investitionen kann sich nun mal nicht jeder Teichwirt leisten.“