Ampel bringt Klinik-Atlas auf den Weg

von Redaktion

Online-Verzeichnis soll Qualität zeigen – Kritik von Krankenhäusern und Patientenschützern

VON SEBASTIAN HORSCH

München/Berlin – Ab April kommenden Jahres sollen gebündelte Informationen über die Leistungsfähigkeit und mögliche Qualitätsmängel jedes deutschen Krankenhauses im Internet abrufbar sein. Erste Ansätze waren bereits Mitte August bekannt geworden, nun hat das Ampel-Kabinett das passende Gesetz dazu auf den Weg gebracht. „Die Bevölkerung und insbesondere die Patientinnen und Patienten sollen erkennen können, welches Krankenhaus in ihrer Nähe welche Leistungen anbietet und wie diese Klinik im Hinblick auf Qualität sowie ärztliche und pflegerische Personalausstattung abschneidet“, heißt es in dem Entwurf, der unserer Zeitung vorliegt.

Fallzahlen, Komplikationsraten bei bestimmten Eingriffen oder auch die personelle Ausstattung an Ärzten und Pflegekräften – all das soll der interaktive Krankenhaus-Atlas über eine Klinik verraten. Und weitere Daten könnten folgen, heißt es. Zugrunde liegt der Gedanke, dass Krankenhäuser, die eine bestimmte Behandlung besonders häufig ausführen, dafür auch besonders hohe Kompetenz aufgebaut haben. „Patienten haben ein Recht darauf zu wissen, was Kliniken leisten“, erklärte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nach dem Kabinettsbeschluss. Ihre „individuelle Entscheidung“ werde dadurch gestärkt. Das alles sei „überfällig“ und helfe „Krankenhäusern wie Patienten gleichermaßen“, findet Lauterbach.

Zumindest Erstere sehen das aber ein bisschen anders. Aus Roland Engehausens Sicht bedeutet die Neuregelung zunächst einmal weitere Bürokratie. Denn die Krankenhäuser werden verpflichtet, all die benötigten Daten zu übermitteln. Doch: „Wir glauben, dass dieser bürokratische Mehraufwand den Patienten wenig bringt“, sagt der Chef der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG). Denn zwar sei der Gedanke einer interaktiven Darstellung gut – dafür hätte Lauterbach aus Engehausens Sicht aber auch das seit vielen Jahren etablierte und vom Bund lange geförderte Deutsche Krankenhausverzeichnis (deutsches-krankenhaus-verzeichnis.de) stärken können, indem er die dort bereits umfangreich vorhandenen Daten verständlicher aufbereitet und das Portal besser bekannt macht, statt ein neues aus dem Boden zu stampfen.

Engehausen vermutet deshalb, dass es eigentlich um etwas anderes geht. Denn der Klinik-Atlas soll die ebenfalls geplante Klinikreform flankieren, die eigentlich zum 1. Januar in Kraft treten sollte. Ein Gesetzentwurf dafür, den mehrere Länder gemeinsam mit dem Bund erarbeiten, steht allerdings noch aus. Der Zeitplan dürfte kaum zu halten sein. Doch indem der Klinik-Atlas vorab Behandlungen in bestimmte Kategorien (sogenannte Leistungsgruppen) unterteile, hoffe Lauterbach womöglich, schon einmal Pflöcke bei der Ausgestaltung dieser Parameter auch in der Krankenhausreform einschlagen zu können – um so später im Ringen mit den Ländern einen Vorteil zu haben. Für die Patienten sei diese Unterteilung bei ihrer Suche nach der passenden Behandlung allerdings nicht zweckmäßig. „Das ist an der Such-Logik der meisten Menschen vorbeigedacht“, sagt Engehausen.

Auch die Stiftung Patientenschutz äußert Bedenken bezüglich der Ausgestaltung. Es sei zwar richtig, die Häufigkeit der Komplikationen und die Sterblichkeit in die Darstellung mitaufzunehmen, sagte deren Vorsitzender Eugen Brysch gestern. Doch gleichzeitig müsse der Bundestag das Gesetz noch so anpassen, dass nicht jüngere, erfolgversprechende Patienten bevorzugt behandelt werden, um als Klinik einen besseren Eindruck zu machen. „Das wäre eine Diskriminierung von alten, chronisch kranken und pflegebedürftigen Menschen“, sagte Brysch und regte eine Art Bonuspunkte-Regelung für diese Patientengruppe an.

Die Kostenfrage im Haushalt ist hingegen in diesem Fall – anders als sonst oft – wohl kein Problem. „Es ist schätzungsweise von einmaligen Umsetzungskosten in Höhe von mindestens 100 000 Euro und von jährlichen Umsetzungskosten von mindestens 250 000 Euro auszugehen“, steht im Entwurf.

Artikel 3 von 10