München – Für viele gehört sie auf die Wiesn wie die Mass Bier: die Tracht. Mittlerweile gibt es aber unzählige Modevariationen, T-Shirts werden zur Lederhosn und Chucks zum Dirndlgwand getragen. Manchen Traditionalisten dreht sich da der Magen um. Was also zieht man als echter Bayer an auf die Wiesn? Wir haben Alexander Karl Wandinger (55) gefragt, der das Zentrum für Trachtengewand des Bezirks Oberbayern leitet.
Herr Wandinger, welche Tracht ist die richtige auf der Wiesn?
Es gibt nicht die eine, typisch bayerische Tracht – Tracht ist immer auch die Mode einer bestimmten Generation. Natürlich ändert sich in den Trachtenverbänden die Kleidung weniger schnell, da geht es vor allem um den Erhaltungsgedanken. Die Trachtenmode auf der Wiesn ändert sich aber etwa alle zehn Jahre.
Inwiefern?
In den 1960er- und 70er-Jahren waren zum Beispiel Mini-Dirndl in. Später waren sie bei vielen Damen verpönt und erlebten in den 2000ern ein Revival. Die Mode ändert sich naturgemäß, da helfen auch keine Verbote.
Dann sind Turnschuhe zum Dirndl okay?
Warum nicht? Das kann doch sehr erfrischend aussehen, wenn die Mädels Tradition und Moderne kombinieren. Es gibt auch Männer, die Lederhosen aus besticktem Stoff tragen. Wenn sie sich darin wohlfühlen, gerne. Die Wiesn-Mode darf ruhig etwas schräg sein. Die Wiesn ist ja auch ein schräges Fest!
Also keine Regeln mehr?
Nein, und das ist gut so. Früher schrieben starre gesellschaftliche Konventionen oder etwa die Kirche vor, welche Kleidung moralisch und sittlich richtig war. Heute muss sich niemand mehr an dogmatische Vorschriften halten. Um 1950 war es zum Beispiel undenkbar, dass Frauen kurze Lederhosn tragen – heute pflegen wir damit einen freieren Umgang.
Ihre Tipps, wenn man sich ein Dirndl oder eine Lederhosn zulegen möchte?
Ich wünsche mir, dass die Menschen sich nachhaltiger kleiden. Natürliche Stoffe kaufen, wie Baumwolle, Leinen, Wolle und vegetabil gegerbtes Leder. Man sollte sich etwas zulegen, das viele Jahre hält und man auch außerhalb der Wiesn anziehen mag. Eine Lederhosn sollte beispielsweise aus sämisch gegerbtem Hirschleder sein, idealerweise in der Region hergestellt. Ich weiß natürlich, dass Qualität entsprechen kostet…
Aber?
Kauft man sich eine qualitativ hochwertige Lederhosn, kostet sie ab 500 Euro aufwärts. Dafür ist sicher, dass man nicht mit Giftstoffen in Berührung kommt, wie sie in Billigprodukten stecken. Außerdem fördert man das heimische Handwerk, das das Gwand herstellt.
Was ist beim Dirndl wichtig?
Hier sollten die Damen auf die richtige Höhe der Taillennaht achten. Oft ist die Naht zwischen Oberteil und Rock zu tief angesetzt, dann rutscht das Schürzenband nach oben – und das Gesamtbild stimmt nicht mehr. Schön finde ich auch, wenn der Dirndlrock mehr Stoff hat in der Weite, vielleicht sogar einen Unterrock. Nicht wegen der Schicklichkeit, sondern weil der Rock viel schöner schwingt.
Welche Accessoires?
Auch hier auf gute Qualität achten, ein Hut sollte aus Filz oder Velours sein. Schön finde ich dazu, wenn man alte Traditionen weiterführt, zum Beispiel einen Rosmarin-Zweig an den Hut steckt.
Und die Damen?
Da muss es nicht immer die sogenannte Kropfkette sein! Vielleicht hat frau ja Trachtenschmuck von der Oma geerbt. Im frühen 20. Jahrhundert war zum Beispiel roter Granatschmuck modern, der passt auch heute noch zu vielen Kombinationen… Aber auch neue Modeerscheinungen finde ich gut, wie Blumenkränze aus echten Blumen oder auch Seidenblumen in den Haaren.
Und wenn jemand partout gar keine Tracht anziehen möchte?
Ist doch völlig in Ordnung, wenn jemand Jeans bevorzugt, das war in den 1980er-Jahren normal. Man kann aber auch im Anzug auf die Wiesn. Das haben viele Männer noch in den 70ern gemacht.
Wie oft gehen Sie selbst auf die Wiesn – und wie?
Etwa drei- bis viermal und da ziehe ich die kurze Lederhose genauso wie eine Leinenhose mit einer feschen Weste an. Wie es halt passt.
Interview: Martina Williams