Der Zug der Zukunft – oder ein Flop?

von Redaktion

VON DIRK WALTER

Kaufbeuren/Buchloe – „Jetzt kommt er“, ruft jemand. Die Handys werden gezückt, Filmkameras auf die Schultern gehievt – da schnurrt der Mireo Plus H auch schon in den Bahnhof Kaufbeuren ein. Bayerns erster Wasserstoffzug – Traum der Bahnfans. Oder ein Albtraum? Da gehen die Meinungen auseinander.

Der Zug ist eine Entwicklung von Siemens Mobility. Oben auf dem Dach ist ein Wasserstofftank, der zwei Brennstoffzellen antreibt. Dort verschmilzt Wasserstoff (H2) mit Sauerstoff zu Wasser. Es rinnt während der zwölf-minütigen Testfahrt nach Buchloe seitlich an den Scheiben herunter. „Ganz normal“, sagt Jochen Steinbauer, der Chefentwickler bei Siemens. Unten eine Lithium-Ionen-Batterie, sie wird geladen und treibt den Zug an.

Zur Premiere sind gleich zwei Minister aus Niederbayern mit dem Auto vorgefahren. Bayern steckt Millionen in diesen Feldversuch. Die Häuser von Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) finanzieren den zweieinhalbjährigen Testbetrieb bis 2026 mit insgesamt 4,35 Millionen Euro. Ab Mitte 2024 – spätestens ab August – soll der Mireo auf den Strecken Augsburg–Füssen und Augsburg–Peißenberg (entlang des Ammersees) mit Fahrgästen unterwegs sein. Vorher wird ohne Passagiere getestet. Wahrscheinlich wird der Versuch noch ausgeweitet. Auch auf dem Mühldorfer Streckennetz ist ein Versuch mit drei Fahrzeugen ausgeschrieben. Wie man hört, ist Siemens Mobility der einzige Interessent. Entwickler Jochen Steinbauer ist sogar etwas enttäuscht, dass Bayern nicht in die Vollen geht. Erst hieß es, der Versuch werde mit zwölf Fahrzeugen durchgeführt, dann mit sechs, am Ende sind es jetzt nur drei Züge, die der Freistaat leasen will.

Rentiert sich das? Der Streit um Wasserstoff ist in Bahnkreisen ideologisch aufgeladen. Pro Bahn kritisiert den Wasserstoffzug als „kostspieligen und unnützen Fototermin“. Wasserstoffzüge seien schon in einigen Bundesländern geprüft und als unrentabel verworfen worden. Besser sei es, die Strecken im Allgäu endlich zu elektrifizieren, sagt der bayerische Landesvorsitzende von Pro Bahn, Lukas Iffländer. Wo sich das wie auf der Strecke Augsburg–Schongau nicht lohne, könnten Akkuzüge eingesetzt werden.

Die Rechnung geht so: Das Mireo-Fahrzeug kostet acht bis zehn Millionen Euro. Ein Kilo Wasserstoff bis zu 20 Euro. Das ist teurer als ein Dieselfahrzeug. Doch der Zug hat auch Vorteile. Er „beschleunigt auf S-Bahn-Niveau“, sagt Entwickler Steinbauer. Und kann zwischen Augsburg und Buchloe 160 km/h fahren. Die Dieselzüge schaffen nur 140 km/h. Eine Tankfüllung mit Wasserstoff reicht für 1200 Kilometer, ein Akkuzug schafft nur 120 Kilometer.

Bei der Frage, wo der Wasserstoff herkommt, geraten die Siemens-Leute ins Schwimmen. „Aus Österreich, glaub ich“, sagt einer. Und „wahrscheinlich“ mit Wasserkraft hergestellt. Die Wasserstofftankstelle ist im BRB-Werk Augsburg. BRB kauft jedoch nicht selber ein, sondern hat das an DB Energie delegiert. Die liefert den Wasserstoff mit Lkw-Anhängern.

Für den Wirtschaftsminister ist klar, dass das nicht so bleiben kann. Ein Elektrolyseur müsse „in der Nähe“ angesiedelt werden, sagt der erklärte Wasserstoff-Fan Hubert Aiwanger. Ob sich das rentiert, sei eine Frage der Menge. „Es hängt davon ab, dass wir viele Einsatzzwecke generieren.“ Er selbst macht keinen Hehl daraus, dass der Versuch gelingen muss. „Wasserstoff Vollgas voraus auf allen Ebenen, Danke schön und einen schönen Tag“, beendet er seine Rede.

Der Wasserstoff kommt wohl aus Österreich

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