München – Er saß 13 Jahre zu Unrecht wegen Mordes im Gefängnis – dafür wurde Manfred Genditzki (63) kürzlich vom Freistaat entschädigt. Der frühere Hausmeister erhielt exakt 368 700 Euro ausbezahlt – rein rechnerisch also je 75 Euro für 4916 Tage erlittene Haft. Von dem Geld erfüllte sich der frühere Hausmeister jetzt einen großen Wunsch: ein neues Auto, mit dem er Ausflüge machen kann – samt der ganzen Familie.
„Diese Zeit ist mir heilig“, sagt Genditzki. „Meine Familie und die Kinder habe ich hinter Gittern am meisten vermisst. Meine Frau war schwanger, als ich 2008 verhaftet wurde – heute ist meine Tochter 14 Jahre alt. Und meine Enkel hatte ich noch nie gesehen. Das wird jetzt alles nachgeholt.“
Rund 67 000 Euro kostet ein Hyundai Santa Fe Plug-in-Hybrid, den sich Genditzki nun leistete. Seit rund einem Jahr ist er in Freiheit, seither habe er „vor allem gearbeitet“, sagt Genditzki. Am Tegernsee ist er Fahrer für die örtliche Käserei. „Frühmorgens bin ich schon unterwegs.“ Zeit für Urlaub bleibt nicht – Genditzki braucht das Geld. Die Haftzeit hat ihn und seine Familie finanziell arg geschröpft. Neben der Haftentschädigung will er vom Freistaat jetzt auch noch Entschädigung für die Jahre, in denen er nicht arbeiten und nicht in die Rente einzahlen konnte. Die Summe übersteigt die Haftentschädigung. Zusätzlich will Genditzkis Anwältin Regina Rick den damaligen Gerichtsgutachter in Haftung nehmen. Insgesamt könnte Genditzki eine Million Euro an Entschädigung zustehen.
Nach der Haftentlassung hatte sich Genditzki eigentlich einen gebrauchten Chevrolet gekauft, doch der wurde in einem Hagelsturm am Tegernsee kürzlich zum Totalschaden.
Beim Termin im Autohaus Weber in Pfaffenhofen blickte Genditzki am Freitag auch offen auf seine Haftzeit zurück. Elektroautos kenne er schon von Transporten in der Wäscherei – neu waren für ihn nach der Haft aber Navigations-Apps. „Eine wunderbare Erfindung. Das nutze ich jeden Tag“, sagt Genditzki, der 2008 verhaftet worden war. „Damals konnte man nur nach Karten fahren.“
Die Arbeit hinter Gittern habe ihm Kraft und Ablenkung gegeben, sagt Genditzki. „Täglich von 5 bis 16 Uhr. Zehn Jahre in der Wäscherei und vier Jahre war ich Hausarbeiter. Mit den Beamten der JVA Landsberg habe ich mich gut verstanden.“ Und jetzt? In Freiheit? „Ich lebe genauso wie früher“, sagt Genditzki. „Warum soll ich etwas ändern? Ich habe nichts falsch gemacht im Leben.“
Gertenschlank erzählt Genditzki von den neuen Alltagsplänen. Ins Fitnessstudio will er – mit der ganzen Familie. „Hinter Gittern habe ich auch trainiert. Mit und ohne Gewichte.“ Liegestütze etwa. Ein junger Häftling habe ihm eine Wette angeboten: „Er wollte 50 Stück machen. Ich schaffte 51. Das war mein Ziel. Immer eine mehr als er.“
ANDREAS THIEME