Bürgermeister im Asyl-Dilemma

von Redaktion

VON CARINA ZIMNIOK

Bad Tölz/München – Greiling hat 1462 Einwohner, einen Dorfladen, eine Kita mit 90 Betreuungsplätzen, ein paar Mittelständler und zwei Wirtschaften. Fragt man Bürgermeister Anton Margreiter (Freie Wähler), wie viele Flüchtlinge Greiling im Moment aufnehmen kann, sagt er: „Null.“ Sechs Ukrainer seien derzeit in Privatunterkünften, mehr gehe nicht.

Zwei Kilometer weiter, in der 19 000-Einwohner-Stadt Bad Tölz, sagt Bürgermeister Ingo Mehner (CSU): „Wir haben 850 Flüchtlinge, doppelt so viele, wie wir aufnehmen müssen.“ Er sagt auch, dass er sich von allen Gemeinden im Landkreis Lösungsbereitschaft wünscht. „Niemand schreit Hurra. Aber wir können das nur bewältigen, wenn wir die Last auf alle verteilen.“

Wer nimmt wie viele Asylsuchende auf? Der Verteilungskampf unter den oberbayerischen Gemeinden wird mit der steigenden Flüchtlingszahl zunehmend kompliziert, wie das Beispiel zeigt. Das beobachtet auch Wilfried Schober vom Bayerischen Gemeindetag: „Wir haben einen Flickenteppich – manche tun, was sie können, andere verschränken die Arme.“ Die Stimmung wird angespannter. Zuständig für die Unterbringung von Flüchtlingen sind eigentlich nicht die Gemeinden, sondern der Bund. Er delegiert an die Länder, die an die Bezirke, die an die Landratsämter – „und die können nicht einfach durchregieren und bestimmen, welche Gemeinde wie viele Flüchtlinge bekommt. Sie können nur freundlichst bitten, ob es irgendwo Möglichkeiten gibt“, sagt Schober. Er weiß von Bürgermeistern, die sagen: „Wir haben nix.“ Auch wenn jede Gemeinde anders ist, es keine pauschalen Lösungen gibt: Die Engagierten fühlen sich zunehmend ausgenutzt.

Der Bürgermeister von Greiling ist seit neun Jahren im Amt. Die Verwaltungsgemeinschaft Reichersbeuern, zu der sein Ort gehört, habe 2015 bis 2019 insgesamt 240 Flüchtlinge aufgenommen. Man habe eine Fläche für Mobilheime gepachtet, das Gelände sei aber längst zurückgebaut. Die Option gibt es laut Margreiter diesmal nicht. Er sagt: „Wir schlafen ja nicht, wir arbeiten daran.“ Aber: „Es geht halt nicht überall gleich leicht.“ Der Bürgermeister hat seinen Angaben zufolge bereits mehrere Besitzer leer stehender Immobilien gefragt, ob sie Platz für Flüchtlinge hätten. Vergeblich. „Da muss sich auch keiner rechtfertigen“, sagt Margreiter. Außerdem habe er dem Landkreis zwei geeignete Flächen vorgeschlagen, eine gehört dem Landkreis, eine dem Bund – gehört habe er nie wieder was davon.

Bis Ende des Jahres sollen keine neuen Flüchtlinge im Landkreis ankommen. Margreiter weiß aber, dass die Probleme bleiben. Deshalb will Greiling gegen die Zuweisung von Flüchtlingen klagen, einen entsprechenden Beschluss hat der Gemeinderat vorige Woche verabschiedet.

Das macht die Stimmung im Landkreis nicht besser. Der Tölzer Bürgermeister Mehner sagt: „Das Thema belastet die Zusammenarbeit untereinander. Und es bindet wahnsinnig viele Kapazitäten.“ Er kann nicht sagen, wie viele Flüchtlinge Bad Tölz noch aufnehmen kann. Er sieht nur eine Lösung: „Die Zahl der Flüchtlinge, die kommen, muss reduziert werden.“ In der Sache wenigstens stimmt ihm auch sein Kollege aus Greiling zu.

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