150-Meter-Sturz am Schicksalsberg

von Redaktion

VON JOHANNES WELTE

Schönau – Kein Berg der östlichen Alpen ist so mythenumwoben wie der 2713 Meter hohe Watzmann im Berchtesgadener Land. Er hat nicht den höchsten Gipfel, doch seine Ostwand ist mit ihren 1800 Metern vom Königssee bis zur Südspitze des Bergs die höchste der Ostalpen.

Am Donnerstagvormittag wollte ein 42-jähriger Urlauber aus Nordrhein-Westfalen mit zwei einheimischen Hobby-Bergsteigern die Wand erklimmen. Sie wollten den Berchtesgadener Weg gehen – die gängige Route. Offenbar hatte der 42-Jährige die Seilschaft angeführt, obwohl er die Ostwand noch nie gegangen war, die beiden Kameraden hatten sie schon einmal bezwungen. Nach der Querung oberhalb des Felsvorsprungs der Wasserfallplatten verstieg sich die Gruppe laut BRK Berchtesgaden und geriet in mit Gras und Felsblöcken durchsetztes Schrofengelände, sie bemerkten den Fehler und wollten zurücksteigen.

„Dabei brach dem 42-Jährigen dann unmittelbar oberhalb einer rund 100 Meter hohen Wandstufe ein größerer Felsen aus, mit dem er abstürzte“, heißt es beim BRK. Der Bergsteiger stürzte in die Tiefe, an einer nachfolgenden Seilschaft vorbei, die den Sturz mit ansehen musste. Der Mann schlug in einer Felsrinne unterhalb auf und war auf der Stelle tot.

Offenbar hatten der 42-Jährige und seine Kameraden versucht, sich mit GPS-Koordinaten per Handy zu orientieren. Laut Jörg Fegg, Leiter der alpinen Einsatzgruppe der Polizei Berchtesgaden und Polizeibergführer, war die Gruppe zwar sehr erfahren. „Die Ausrüstung war top.“ Aber: „Es ist immer etwas schwierig, mit aus dem Internet heruntergeladenen Tracks zu gehen.“ Die spiegelten nur schlecht wider, was in der Watzmann-Ostwand stattfindet. „Irgendwelchen Tracks nachzugehen funktioniert natürlich auch, aber nur bedingt im steinigen Gelände. Da funktioniert das GPS nicht ganz hundertprozentig und da können zehn Meter Versteiger auf Grund von Fehldaten oder Fehlanzeigen an der Ostwand generell im alpinen Gelände zu gravierenden Folgen führen.“

Die untere Zweier-Seilschaft am zweiten Sporn (1630 Meter) setzte den ersten Notruf ab, sowohl die beiden Kameraden des Verunglückten als auch die untere Seilschaft wurden per Hubschrauber geborgen, da beim Bergungseinsatz mit Steinschlag zu rechnen war. Auch ein weiterer Bergführer wurde mit seinem Gast wegen des Steinschlagrisikos aus der Wand geflogen. Der Tote wurde schließlich ebenfalls per Helikopter ins Tal gebracht.

Thomas Huber (55), der ältere der beiden legendären Extrembergsteiger Huberbuam, kennt als Bergführer die Watzmann-Ostwand wie seine eigene Westentasche. Und er weiß, dass der Ansturm groß ist: „Der Watzmann ist der Ritterschlag für jeden Alpinisten, er war und ist ein Magnet.“ Technisch sei die Ostwand nicht das Problem: „Die Schwierigkeit ist, den Weg zu finden, man kann sich schnell versteigen.“ Von Orientierung per GPS hält Huber nichts. „Man verlässt sich dabei nicht auf die Instinkte, man muss Teil der Natur sein.“ Mit aufmerksamen Augen seien die Spuren der Kletterer zuvor zu sehen, auch Haken gebe es. Für nicht routinierte Hobby-Alpinisten hat Huber den Rat: „In Gottes Namen, nehmt euch einen Bergführer, der kennt den Weg und ihr könnt das wunderbare Erlebnis genießen. Das kostet zwar 800 Euro. Aber das ist das Leben sicher wert.“

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