Rekord weg – Messner schimpft

von Redaktion

VON ISABEL WINKLBAUER

München – Wie bitte, Reinhold Messner soll gar nicht der erste Mensch gewesen sein, der alle 14 Achttausender bestiegen hat? Geht man nach dem Guinness-Buch der Rekorde, ist dieser Fakt „veraltet“. Stattdessen gilt jetzt der Amerikaner Edmund Viesturs als erster Besteiger aller „wahren 8000er-Gipfel“, denn die Gipfel haben eine neue Berechnungsgrundlage bekommen. Kein Wunder, dass Messner angefressen ist – allerdings nicht, weil er seinen Rekorden nachtrauert, wie er unserer Zeitung sagt, sondern weil „99,9 Prozent aller Beteiligten in dieser Geschichte keine Ahnung von Bergsteigen und von Gipfeln haben!“

Der Guinness-Verlag hat seine Bergrekorde jüngst aktualisiert, weil ein deutscher Berg-Statistiker die Positionen der Achttausender-Gipfel neu berechnet hat: Eberhard Jurgalski aus Baden-Württemberg wertet seit Jahren digitale Geodaten des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowie Gipfelfotos aus. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass bei drei von 14 Achttausendern die Gipfel bisher falsch positioniert wurden – und deren Rekordbesteiger gar nicht ganz oben waren. Reinhold Messner und Hans Kammerlander wären somit 1985 nicht wirklich auf dem Annapurna gewesen, sondern 65 Meter vor dem Ziel umgedreht. Messner wäre damit nicht auf allen höchsten Bergen der Welt gewesen, seine Rekorde als Erster auf allen Achttausendern und Erster auf allen Achttausendern ohne Sauerstoff hinfällig. Auch die Rekorde von Edurne Pasaban als erste Frau auf allen Achttausendern sowie von Gerlinde Kaltenbrunner, die alle Achttausender ohne Sauerstoff ging, sind „veraltet“.

Dabei steht für Messner unverrückbar fest, dass er und Kammerlander am Annapurna ganz oben waren. „Natürlich waren wir am Gipfel“, sagt er, „den kann man gar nicht verfehlen, wenn man aus der Nordwestwand herauskommt. Das ist eine relativ flache Stelle. Wir haben in die Südwand schauen können und haben die Ausstiegsstellen der Touren gesehen, die vor uns über andere Wege zum Gipfel hochgestiegen sind. Wir haben uns auch mit Ferngläsern verortet. Es gab keine Zweifel.“ Aber können digitale Geodaten lügen? „Mag sein, dass heute ein anderer Punkt fünf Meter höher ist als damals“, sagt er, „aber so darf man nicht messen. Wenn der aktuell höchste Punkt am Gipfel eine Wächte (eine Schneeverwehung, d. Red.) ist, ist die nicht begehbar. Das ist lebensgefährlich! Man muss wechselnde Schneeverhältnisse berücksichtigen.“

Um diesen Aspekt zu unterstreichen, hat Messner auf seinem Instagram-Profil ein Foto des Bergsteigers Stéphane Benoist am Annapurna-Gipfel gepostet. Der Mann sitzt ganz oben am Berg – neben einer riesigen Wächte, die zu besteigen Selbstmord wäre. Für Statistiker Jurgalski, der selbst kein Bergsteiger ist, hat Messner nur Geringschätzung übrig. „Er war nicht am Annapurna, er kennt den Berg nicht. Er macht eben sein Geschäftchen damit.“

Messner erklärt, worum es ihm damals mit Kammerlander wirklich ging. „Wir waren keine Erstbesteiger, die auf Rekorde aus waren. Deshalb kann man mir auch keine Rekorde wegnehmen. Uns ging es darum, die sehr schwierige Nordwestwand ohne Hilfsmittel zu bewältigen. Ihre Durchsteigung zählt! Es ging uns um Bergsteigen in wilder Natur, der Weg war das Ziel. Heute geht es nur noch darum, oben zu sein. Egal mit wie viel Hilfe.“

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