München – So stellt sich der gemeine Wähler die FDP sicher nicht vor: Wer den Landesverband der Wirtschaftspartei besuchen will, muss ins Münchner Bahnhofsviertel. Vorbei an Spielhallen, Stripclubs, Dönerbuden, türkischen Reisebüros und rumänischen Bettlern. Im dritten Stock eines unscheinbaren Geschäftshauses residiert die Partei in schlichten Geschäftsräumen. 2013 zog man hierher, als man mit 3,3 Prozent – von der Regierungsbank kommend – aus dem Landtag flog und sparen musste. Zehn Jahre später droht das gleiche Schicksal.
Am Dienstagmorgen steht Spitzenkandidat Martin Hagen in diesem nüchternen Ambiente und stellt ein „Zukunftsprogramm für Bayerns Wirtschaft“ vor. Neben ihm: Franz Pschierer, einst Wirtschaftsminister in Bayern. Von der CSU, wo der Allgäuer keine richtige Zukunft mehr hatte, war er vergangenes Jahr zu den Liberalen übergetreten. Ein vermeintlicher Coup für die FDP, die 2018 nur knapp den Sprung in den Landtag geschafft hatte. Pschierer sollte in Schwaben Stimmen bringen. So wie Helmut Markwort oder Susanne Seehofer in Oberbayern. Aber jetzt, eineinhalb Wochen vor dem Wahltag und mitten in der Briefwahlphase, ist die Partei auf drei Prozent gerutscht. Tapfer spulen die beiden die Themen ab: Energieversorgung, Bürokratieabbau, digitale Infrastruktur, Außenhandel.
Hagen wirkt angeschlagen. Die Wiesn-Erkältung hat ihn schon kurz nach dem Anstich ereilt. Wie alle Spitzenkandidaten eilt der 42-Jährige kreuz und quer durch den Freistaat. Er inszeniert sich als Gegenentwurf zu Hubert Aiwanger, der in den Bierzelten auf dem Land gefeiert wird. Zur Präsentation des Wahlprogramms fuhr Hagen selbstironisch in einem DeLorean wie aus „Zurück in die Zukunft“ vor. Eine Zeitmaschine, die Bayern vorwärts katapultieren sollte.
Die offenen Baustellen der bayerischen Wirtschaft hätte Aiwanger nicht angepackt, sagt Hagen. Im Gegenteil. Der Wirtschaftsminister verströme keine Begeisterung für sein Themenfeld. „Er fremdelt eher damit.“ Weder für große Konzerne noch für kleine Start-ups sei der FW-Vorsitzende der richtige Ansprechpartner. Aiwanger solle sich künftig lieber um Landwirtschaft kümmern. „Vielleicht wäre es besser, wenn er etwas tut, wovon er etwas versteht.“
Vor einigen Wochen hatte Hagen auf die Trendwende gehofft. Der Flugblatt-Skandal um Aiwanger, das Festhalten Markus Söders am Minister – die FDP dachte, mit ihrem sachlichen Kurs der Mitte zu profitieren. „Die Wirtschaft anheizen, nicht die Stimmung“, plakatierte sie. Auch langjährige Beobachter waren sich einig, dass die Partei einige von Bierzelt-Reden verschreckte bürgerliche Wähler einsammeln dürfte. Genug jedenfalls, um über fünf Prozent zu klettern.
Irrtum. Die Umfragen gehen runter. Es herrscht Ratlosigkeit. Man wusste, dass es nicht leicht würde. Letztmals gelang 1978 der Wiedereinzug in den Landtag. Seitdem geht es für die FDP rein und raus. Diesmal wohl wieder raus. Aus Berlin kommt massiver Gegenwind. Selbst die deutlich stabilere Hessen-FDP kämpft mit der Fünf-Prozent-Hürde. Niemand will prognostizieren, was passiert, sollten die Liberalen aus beiden Landtagen fliegen. Der Gesamteindruck der Ampel-Regierung sei einfach schlecht, stellt Hagen fest. Dabei weiß auch er nicht, was die FDP besser machen könne. „Die Grünen regieren in Teilen gegen die Mehrheitsmeinung der Bürger“, sagt er. Die FDP müsse vieles ausgleichen. In der Summe würde man dann als zerstritten wahrgenommen.
Hagen kennt sich auch in Berlin aus. Er sitzt im Bundesvorstand, genießt in der Hauptstadt einen guten Ruf. Trotz schlechter Umfrageergebnisse. Hinter vorgehaltener Hand wird schon vermutet, Hagen könnte bei einem Scheitern in Bayern 2025 für den Bundestag kandidieren. Soweit will er natürlich nicht in die Zukunft blicken. Noch hofft er auf die Schubumkehr auf den letzten Metern. Vielleicht ja mit dem DeLorean.