KOLUMNE

VON SUSANNE BREIT-KESSLER Erntezeit

von Redaktion

Das letzte Viertel des Jahres beginnt mit einem Fest – dem Erntedank. Die Kirchen werden voll sein. Schon vor den klimatischen Veränderungen haben viele begriffen, dass nichts von dem, was wir haben, selbstverständlich ist. Wir leben in einem Land, in dem es einem, auch in sogenannten schwierigen Zeiten, nach wie vor gut geht. Die Mehrheit hat ein Dach über dem Kopf, ausreichend zu essen und zu trinken, eine sinnvolle Arbeit und Freizeit, die viele Möglichkeiten eröffnet. Die, die Belastungen zu tragen haben, können damit rechnen, dass ihnen Hilfe zuteil wird.

Natürlich ist es erforderlich, Menschen, die in Not sind, noch schneller, unbürokratischer, praktischer und barmherziger zur Seite zu stehen. An einer gerechten Gesellschaft gibt es immer zu arbeiten – wie an einem Haus, das man erhalten möchte. Nach wie vor gilt: Wer ins Trudeln kommt, darf nicht verloren gehen, muss seelischen Beistand und tatkräftige Unterstützung erhalten.

Erntedank bietet zudem die Gelegenheit, zurückzuschauen auf das, was nicht gelungen ist. Welcher Schaden entstanden ist – im konkreten und im übertragenen Sinn. Daraus kann man lernen. Und intensiv durchlebte Trauer, im privaten wie im gesellschaftlichen und politischen Bereich, sie trägt dazu bei, dass man durch Weh und Ach hindurch zu neuem Leben gelangt. Dafür sollte man allerdings genau hinschauen: Was läuft gut, was nicht – was müssen wir gemeinsam verändern.

In einer Woche wird ein weiterer Erntetag in Bayern begangen. Landtagswahlen stehen an. Ob jeder erntet, was er und sie gesät hat, wird man sehen – ob Politikern und Politikerinnen abgekauft wird, was sie auf dem Markt der demokratischen Möglichkeiten anbieten. Auch natürlich, ob manch böse Saat aufgeht oder doch noch im Keim erstickt werden kann. Was es jedenfalls braucht, sind Erntehelfer. Ich meine nicht allein die, die dankenswerterweise Stimmen auszählen. Sondern millionenfache Wähler und Wählerinnen, die die Ernte einbringen und sich hoffentlich Gedanken darüber machen, wie es mit der demokratischen Kultur dieses Landes weitergehen soll. Im Wahlkampf wurde viel Gift auf die versprüht, die politisch arbeiten. Unvorstellbare Gehässigkeiten mussten sie sich bieten lassen.

Wer die Nerven hat, sich das in Wort und Bild zu Gemüte zu führen, der weiß: Mehr Achtung und gegenseitiger Respekt sind dringend nötig. Feiern Sie, liebe Leserinnen und Leser, ein schönes, sinnenfrohes Fest. Und gehen Sie eine Woche später zur Wahl – mit einer Stimme für Anstand und menschenwürdiges Zusammenleben.

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