Als unsere Familiennamen entstanden – in der Zeit vom 11. bis 13. Jahrhundert – galten die Herrscher, die über jeden Zweifel erhaben schienen, dem armen Landvolk als Vorbild und menschgewordene Gottheiten. Heinrich und Konrad waren die typischen Männernamen – und kamen somit auch am häufigsten unter Königen, Kaisern und sonstigen Herrschern vor. Viele Jungen bekamen diese Vornamen – ach, was heißt viele, sehr viele. In manchen Dörfern gar alle.
Die Abkürzungen und Spitznamen für die beiden Namen lauteten „Hinz“ für den Heinrich und, ja genau, „Kunz“ für den Konrad. Dies löste eine Inflation an solchen Vornamen aus. Im 16. Jahrhundert bürgerten sich diese beiden Namen sogar als Redensart ein. Genau die hat es sogar in ein Märchen geschafft. Raten Sie mal! Die Auflösung gibt es am Ende…
Auch in anderen Sprachen gibt es übrigens typische Pseudonyme, die verallgemeinernd auf alle Bürger bezogen wurden. Sei es Tom, Dick und Harry im Englischen oder Pierre, Paul und Jacques im Französischen – die häufigsten Vornamen standen für „Jedermann“, also das ganze Volk und für das jeweilige Lebensgefühl.
Aus dem Heinrich formten sich neben dem Hinz noch weitere Necknamen aus, wie Heinz, Heinze, Heinen, Heinlein – und viele mehr. Die Alternativen beim Konrad lauten Conrad, Kuntz und Kuhn. Das Wichtigste war damals tatsächlich, möglichst viele ähnliche, aber nicht gleichlautende Begriffe zu finden.
Beim Hainzl steht die Herleitung vom Heinrich außer Frage. Ihn gibt es heutzutage größtenteils von Erding bis ins Berchtesgadener Land. Die ersten Kirchenbucheinträge dieses Namens finden sich vor 1700 fast alle in Österreich. Anscheinend ist er von dort nach Bayern herübergeschwappt.
Ebenfalls fast nur in Südbayern präsent: Der Nachname Öttl. Hierbei handelt es sich um die bairisch-österreichische Schreibweise von Oettel, der wiederum einfach nur ein etwas veränderter Otto war.
Bei ihm stand das althochdeutsche Wort ot für Besitz und Reichtum Pate. Auch seine Verbreitung war im Mittelalter als Name deutscher Könige und Kaiser sowie mehrerer Heiliger nahezu inflationär. Hier ging es aber gar nicht darum, Otto und Öttl auseinanderzuhalten. Denn den Otto gibt es als Nachnamen in Bayern fast gar nicht – ihn trifft man erst in den Mittelgebirgen und nördlicher davon regelmäßig. Im Übergangsbereich ist der Ott ansässig. Bei Heiligen kommt man noch auf einige weitere Nachnamen zu sprechen: Zum Beispiel auf den Jennerwein – abgeleitet vom Heiligen Ingenuin, der im Jahr 605 starb und dessen Gebeine zu Beginn des 10. Jahrhunderts nach Brixen in Südtirol überführt wurden. Sein Schwerpunkt ist der Kreis Miesbach.
Ein weiteres Beispiel ist Jais – eine oberdeutsche Kurzform des Jodoc(us), vom keltischen jud für Kampf. Die Verehrung in Nordfrankreich führte zu einer Schwemme dieses Namens in den Adelshäusern Europas. Er eroberte als Jais speziell den Landkreis Garmisch-Partenkirchen.
Der Oswald – ein Herrscher in England, der dort das Christentum einführte und in einer Schlacht gegen die Heiden fiel. Ihn ließ seine Rolle als Märtyrer posthum in der Gunst der Menschen aufsteigen.
Und der Willibald – der bekannte Heilige mit diesem Namen war einst ein angelsächsischer Missionar, der im Auftrag des heiligen Bonifatius in Bayern predigte und es bis zum Bischof von Eichstätt brachte. Er hat sich, rein namenstechnisch, besonders im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen festgesetzt.
Zum Abschluss bin ich noch eine Auflösung schuldig, um welches Märchen es geht. Die Königin sinniert am Ende noch kurz, ob das Männchen wohl „Kunz oder Heinz“ heiße – nur um daraufhin den richtigen Namen zu nennen. „Das hat dir der Teufel gesagt!“, schreit Rumpelstilzchen, bevor es sich selbst zerreißt. Vielleicht war das ja auch auf die beiden Allerweltsnamen gemünzt.