Schulen nicht überfordert

von Redaktion

Zuwanderung für Kultusminister Piazolo kein Problem

VON DIRK WALTER

München – Flüchtlingswellen, Migrantenströme – kein Thema bewegt derzeit mehr als die Zuwanderung. Bayerns Kultusminister Michael Piazolo rät, trotzdem einen kühlen Kopf zu bewahren. Im Gegensatz zu den Landkreisen generell, die verzweifelt Unterkünfte suchen, sieht er die Schulen nicht am Rande der Kapazität. Krisenvokabeln nimmt er ungern in den Mund. „Die Situation ist eine andere als 2015, 2016. Nein, von einer Überforderung würde ich nicht sprechen“, sagt Piazolo im Gespräch mit unserer Zeitung. An den Schulen gebe es die bewährten Instrumente, etwa die Deutschklassen und Berufsintegrationsklassen. „Da brauchen wir zusätzliche Kapazitäten. Es ist aber nicht so, dass eine ganz große Zahl dazugekommen ist.“

Grenzen der Belastbarkeit will der Freie Wähler nicht nennen: „Es gibt jetzt wieder Diskussionen etwa um Obergrenzen, die pünktlich vor Wahlen geführt werden. Wir wissen, was zu tun ist.“ Selbstverständlich spüre man den Zugang von geflüchteten Schülern, aber die Unterrichtsqualität an den Schulen „für hier aufgewachsene Kinder“ werde darunter nicht leiden, versichert er.

Vor allem bei den ukrainischen Schülern sieht Piazolo Erfolge: „Rund 19 000 der 31 000 Schüler sind jetzt von den früheren Willkommensklassen in Regelklassen gewechselt. Das ist doch eine beachtliche Zahl, sehr positiv und eine große Integrationsleistung.“ Natürlich könnten einige von ihnen in manchen Fächern noch schwächer sein, etwa in Deutsch. „Dann gibt es aber Förderunterricht und weitere schulische Unterstützungsangebote.“

Von Forderungen zur Deutschtest-Pflicht vor der Grundschule, wie sie Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erhoben hatte, grenzt sich Piazolo ab. Er sagt es nicht so, sondern verweist auf die Fakten: „Jährlich werden etwa 120 000 Schüler eingeschult. Drei Mal wird die Sprache geprüft, das erste Mal schon im vorletzten Kindergartenjahr.“ Wer Defizite habe, kommt in den Vorkurs Deutsch.“ Diesen hätten zuletzt mehr als 33 000 Kinder besucht. „Das ist sehr erfolgreich.“ Diese Maßnahme greife aber natürlich nicht bei Kindern, die gar nicht in den Kindergarten gehen. Das sind aber vielleicht rund 7000 Kinder im Jahr – fünf Prozent der Erstklässler. „Man kann die Dinge immer verbessern, aber ich glaube schon, dass es ein gutes System ist.“ Schließlich gebe es bei der Einschulung auch noch eine Eingangsuntersuchung für alle, und als Letztes habe die Grundschullehrerin die Möglichkeit, das Kind zurückzustellen oder aber für den Erstklässler Förderunterricht zu organisieren.

Überhaupt wendet sich der Minister gegen den Eindruck, die Schule fahre an die Wand. „Mich wundert, wie leichtfertig mit Begriffen wie Bildungskatastrophe oder Bildungskrise hantiert wird“, sagt er. „Das sind Kampfbegriffe. Man kann alles verbessern, es gibt bestimmt Defizite, aber unser Schulsystem funktioniert.“

Dass er nach der Wahl Minister bleiben will, daran lässt er wenig Zweifel erkennen – auch wenn ihm mit Kultusstaatssekretärin Anna Stolz (FW) Konkurrenz im eigenen Haus erwachsen ist. Er will stetig weiterarbeiten. Mit Langfrist-Perspektive. Motto: Evolution statt Revolution. Sowohl die Multiprofessionalisierung der Lehrerkollegien – das bedeute, auch andere Berufsgruppen an die Schulen zu bringen als auch Differenzierungskurse für Schüler müssten verstärkt werden.

Weiterer Punkt: die Digitalisierung. „Jeder Schüler an weiterführenden Schulen braucht ein digitales Endgerät“, betont er und kritisiert die CSU. „Zur 1:1-Ausstattung haben wir ein fertiges Konzept mit Zeit- und Kostenplan. Wir wollen das ausrollen, nur der Koalitionspartner zieht noch nicht mit.“

Pro Jahr sei ein dreistelliger Millionenbetrag nötig. Ein Teil könnte über den Digitalpakt 2.0 vom Bund übernommen werden. Und: „Wir geben einen Zuschuss an die Eltern. In einem Modellversuch an 250 bayerischen Schulen, der derzeit läuft, sind es 300 Euro, ich könnte mir auch 400 Euro vorstellen.“

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