Nürnberg – Der Vogel des Jahres 2024 fällt auf, keine Frage. Am Hinterkopf trägt der Kiebitz einen kecken Federschopf. Sein Gefieder ist auf der Unterseite weiß, auf der Oberseite ist es dunkel und schimmert metallisch grün und violett. Doch wer den inzwischen selten gewordenen Wiesenbrüter beobachten will, braucht Glück – oder muss die richtigen Stellen kennen.
Eine solche ist das Knoblauchsland am Rande Nürnbergs, ein Kiebitz-Hotspot. Hier lebt der zweitgrößte Bestand Bayerns auf einer vergleichsweise kleinen Fläche. „Ich habe noch nie so viele beieinander gesehen“, sagt Lisa Schenk vom Naturschutzverband LBV. „Vor allem zur Balzzeit ist es spektakulär. Da machen die Männchen eine Art Luftakrobatik, um die Weibchen zu beeindrucken.“ Den Kiebitz so gut beobachten zu können, ist selbst für die Expertin etwas Besonderes.
Denn laut der Roten Liste der bedrohten Arten ist der Kiebitz inzwischen stark gefährdet. Auf 42 000 bis 67 000 Brutpaare schätzt der Dachverband Deutscher Avifaunisten den Bestand. Seit 1980 ist er um rund 90 Prozent zurückgegangen. „Das ist ein drastischer Einschnitt“, sagt Martin Rümmler vom Naturschutzbund Deutschland. Grund dafür sei vor allem der schrumpfende Lebensraum. Der Kiebitz liebt feuchte Wiesen und Weiden, Moore und Sümpfe. Doch viele davon wurden in der Vergangenheit trockengelegt, um sie für die Landwirtschaft zu nutzen oder um Bauland zu gewinnen. „Ein Problem ist, dass die Kiebitze auf Ackerflächen ausweichen. Dadurch gehen Bruten verloren“, sagt Rümmler. Weil Maschinen die gut versteckten Nester überrollen, weil sich dort weniger Nahrung für die Jungvögel finden lässt, und weil Räuber wie der Fuchs dort leichteres Spiel haben.
Der taubengroße Vogel aus der Familie der Regenpfeifer und der Erhalt seines Lebensraums könnten nun mehr Beachtung bekommen: Bei der Wahl zum Vogel des Jahres 2024 flatterte er mit fast 28 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz und darf im kommenden Jahr deshalb den Titel tragen. Seit 1971 küren Nabu und LBV einen Jahresvogel, um auf die Gefährdung der heimischen Vögel aufmerksam zu machen. Seit 2021 darf die Bevölkerung online abstimmen. Rund 120 000 Menschen beteiligten sich in diesem Jahr.
Der Kiebitz gehört zu den Kurzstreckenziehern. Im Herbst verlässt er sein Brutgebiet, um in milderen Regionen zu überwintern. „Ein paar bleiben hier in Deutschland, ein Teil zieht weg. Das hängt aber auch von der Witterung ab“, erläutert Nabu-Experte Rümmler. dpa