Rätsel um „Angriff“ auf Chrupalla

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Ein abgebrochener Auftritt, eine Nacht in der Klinik. Wenige Tage vor der Landtagswahl beschäftigt ein Vorfall um AfD-Chef Tino Chrupalla die bayerische Politik. Der 48-Jährige sollte am Mittwoch eigentlich bei einer Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt sprechen, musste aber kurz zuvor medizinisch behandelt werden und kam in ein Krankenhaus – gestern wurde er wieder entlassen.

Die Umstände sind einigermaßen nebulös. Die Partei spricht zwar beharrlich von einem „tätlichen Vorfall“, erste Erkenntnisse der Ermittler widersprechen dem aber. Laut Polizei und Staatsanwaltschaft lagen bis gestern „keinerlei Erkenntnisse vor, dass Herr Chrupalla angegangen oder angegriffen wurde“.

Der AfD-Chef sollte neben den Spitzenkandidaten für die Landtagswahl, Katrin Ebner-Steiner und Martin Böhm, in Ingolstadt auftreten. Den Ermittlern zufolge machte er zuvor mit mehreren Personen Selfies, wobei es „zu einem leichten Körperkontakt“ kam. Auf dem Weg zur Bühne habe Chrupalla dann Schmerzen im Oberarm verspürt und sei schließlich „aufgrund weiterer gesundheitlicher Beschwerden“ ins Klinikum Ingolstadt gebracht worden, wie es in einer Mitteilung der Ermittler heißt. Wunden oder Einstiche konnten demnach nicht festgestellt werden, dafür eine „Rötung bzw. Schwellung“ am Oberarm. Die AfD sprach in einer Mitteilung hingegen von einer „Stichverletzung“. Zur Sicherheit wurde ein Bluttest durchgeführt, Chrupalla wurde intensivmedizinisch beobachtet. Der AfD zufolge litt er „unter starken Schmerzen und Übelkeit“. Nun wird gegen unbekannt ermittelt.

So unklar alles ist, so schnell verbreiteten sich in internen AfD-Gruppen Gerüchte. Der AfD-Chef sei mit einer Spritze verletzt worden, hieß es dort etwa, im Netz witterten manche gar einen Anschlag des ukrainischen Geheimdienstes. Aus Sicherheitskreisen hieß es indes, das einzig spitze, was man gefunden habe, seien zwei Stecknadeln. Von einer Spritze keine Spur.

Entscheidende Fragen sind also offen, trotzdem nutzt Bayerns AfD-Spitzenkandidatin Ebner-Steiner die Situation für eine Attacke auf Bayerns Sicherheitsbehörden. Chrupalla sei „offenbar Opfer eines Anschlags“ geworden, erklärte sie und warf Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor, dieser sehe „keinerlei Notwendigkeit, unsere Partei und die Landtagskandidaten stärker zu schützen“. Tatsächlich hatte der AfD-Chef in Ingolstadt Personenschützer des BKA dabei. Dass sie einen Angriff nicht bemerkt haben, ist unwahrscheinlich.

Herrmann gab am Donnerstagabend Contra. „Selbstverständlich werden auch AfD-Politiker und deren Veranstaltungen von der Polizei entsprechend der Gefährdungseinschätzung geschützt“, sagte er unserer Zeitung. Unabhängig davon sei es „erschreckend, wie infam und hinterfotzig die AfD im Landtagswahlkampf versucht, aus den Vorfällen bei ihrer eigenen Klientel Kapital zu schlagen, ohne die Ermittlungen abzuwarten“, so der Minister.

Bemerkenswert ist der Vorfall auch, weil zuvor AfD-Co-Chefin Alice Weidel einen Auftritt in Bayern absagte, angeblich wegen Sicherheitsbedenken. Laut ihrem Sprecher hatte es zehn Tage zuvor einen „sicherheitsrelevanten Vorfall“ gegeben, woraufhin Weidel und ihre Familie aus ihrem Wohnhaus in der Schweiz an einen sicheren Ort verbracht wurden. Das BKA betont allerdings, die Absage der Veranstaltung sei „nicht auf Veranlassung oder Empfehlung des BKA“ geschehen. Tatsächlich war Weidel zum fraglichen Zeitpunkt auf Mallorca.

Für Chrupalla war am Donnerstagabend eigentlich ein Auftritt in Rosenheim geplant – doch der AfD-Mitteilung zufolge wurden all seine Wahlkampftermine abgesagt.

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