Wolfratshausen/Ebersberg – Dem BCF Wolfratshausen fehlt seit März 2022 seine wichtigste Sportstätte. Rund 100 Asylbewerber leben aktuell in der Mehrzweckhalle im Stadtteil Farchet. Es ist nicht absehbar, dass dort in den kommenden Monaten wieder Sport gemacht werden könnte. Doch die sieben Abteilungen des Vereins sind spätestens im Winter auf die Halle angewiesen. Der Vorsitzende Manfred Fleischer sagt: „Ich weiß nicht, wie man einen Verein unter diesen Voraussetzungen führen soll.“ Der BCF verliere deswegen Mitglieder.
Der Verein will das nicht länger hinnehmen – und hat eine Demonstration organisiert. Einen offenen Brief an Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) hat Fleischer bereits vor Monaten geschrieben, außerdem führte er viele Gespräche. Niedermaier betonte, es tue ihm in der Seele weh, die Turnhalle zu belegen, er habe großes Verständnis für den Frust der Sportler. Dem Landkreis würden aber spätestens ab Januar wieder alle zwei Wochen rund 50 Geflüchtete zugewiesen. Niedermaier fürchtet, dass es wegen der Eskalation im Nahen Osten noch mehr sein werden. Der Landkreis könne es sich nicht leisten, auf Objekte, die schnell als Unterkunft zur Verfügung stehen, zu verzichten.
Die Sportler lassen sich durch diese Erklärungen nicht mehr besänftigen. Gestern Nachmittag zogen sie mit einem Banner durch die Stadt: „Unsere Kinder brauchen ihre Sporthalle zurück“, stand darauf geschrieben. Rund 85 Menschen beteiligten sich laut Polizei an der Demonstration.
Die Probleme, die Landrat Niedermaier bei der Flüchtlingsunterbringung hat, haben gerade alle Landräte. Doch die Kreise gehen unterschiedlich mit der Herausforderung um. Der Ebersberger Landrat Robert Niedergesäß will unbedingt verhindern, dass die Sportler wieder ihre Turnhallen verlieren – so wie es auch in Ebersberg schon während der Flüchtlingswelle 2015/16 war. Schon zu Jahresbeginn hatte der CSU-Politiker versprochen, dass die Turnhallen in seinem Landkreis frei bleiben. Notfalls werde er sich davor legen, um zu verhindern, dass sie Asylunterkünfte werden, sagte er. Dieses Versprechen hat Niedergesäß bis heute gehalten – und in dieser Woche noch einmal erneuert. „Die Sportvereine vertrauen darauf, dass ich mein Versprechen halte“, betont er. Niedergesäß hat ein leer stehendes Sparkassengebäude in seinem Landkreis, in dem er 300 Geflüchtete unterbringen konnte. Doch auch er hat keine weiteren Betten mehr. In Vaterstetten entsteht gerade eine Containerunterkunft, sie wird aber erst Ende November fertig sein. „Bis dahin können wir keine Flüchtlinge mehr aufnehmen“, sagt Niedergesäß. Wenn die Regierung trotzdem Busse schicke, müsse er die notfalls zurückschicken. „Wir wollen uns der Verantwortung nicht entziehen“, betont der Landrat. „Aber die Turnhallen sind meine rote Linie. Zu meinem Versprechen stehe ich.“ Auch deshalb, weil er Turnhallen für die Unterbringung von Geflüchteten nicht für geeignet hält.
Das sieht auch Jörg Ammon so. Er ist der Vorsitzende des Bayerischen Landessportverbandes. „Die Sanitäranlagen sind dafür nicht ausgerüstet, es gibt überhaupt keine Privatsphäre“, betont er. Das fördere Konflikte. Der BCF in Wolfratshausen ist nicht der einzige Verein, der darunter leide, dass er die Turnhalle seit Monaten nicht mehr nutzen kann, berichtet Ammon. „Besonders nach den Corona-Jahren, in denen viele Kinder und Jugendliche schon keinen Sport machen konnten, ist das schwer zu verkraften. Und für einige Vereine sogar existenzbedrohend.“ Mitglieder würden austreten, Neumitglieder kommen kaum noch dazu. Dazu komme noch ein weiterer Punkt: Viele Turnhallen seien nach der Flüchtlingswelle vor sieben Jahren abgenutzt und stark beschädigt gewesen, sie mussten generalsaniert werden. Ammon sagt: „Es ist verständlich, dass den Vereinen das Herz blutet, wenn dort jetzt wieder Feldbetten stehen.“