Noch feilt er an seiner Predigt, denn am Sonntag muss jedes Wort sitzen: Christian Kopp, bislang evangelischer Regionalbischof für München und Oberbayern, wird in der St. Lorenz-Kirche in Nürnberg in sein neues Amt als Landesbischof eingeführt. Mit dem 59-Jährigen sprachen wir über seine Amtsvorstellung, seine wichtigsten Ziele und über Hoffnung in schwierigen Zeiten.
Herr Kopp, was überwiegt vor der Amtseinführung: Respekt oder Freude auf die neue Aufgabe?
Das ist die richtige Mischung. Ich habe große Hochachtung vor meinen Vorgängern, vor Menschen, die solche Aufgaben übernehmen, denn das fordert einen enorm. Es ist eine Aufgabe mit einer hohen Verantwortung für den Zusammenhalt. Und es ist auch schön, dass man so etwas erleben darf. Ich denke: Was ist das für ein Vertrauen, das Menschen in mich haben.
Wenn Sie den Schwund der Kirchenmitglieder oder den Kostendruck sehen, müssten Sie sehr ernüchtert in Ihr neues Amt gehen.
Ich bin ein Mensch, der mag, wenn sich etwas verändert. Wenn Dinge nicht bleiben, wie sie sind. Ich bin natürlich traurig, wenn Menschen keinen Sinn darin sehen, in unserer Kirche Mitglied zu bleiben. Die Kirche bietet ein unglaubliches Maß an Hoffnung, sie kümmert sich um die Seele der Menschen. Wir haben so tolle Mitarbeitende, wir werden die Zukunft gestalten – im Rahmen der Möglichkeiten, die uns gegeben sind.
Ihre Amtszeit beträgt zehn Jahre. Was steht ganz oben auf Ihrer Agenda?
Ich glaube, dass wir uns jetzt auf unsere Kernaufgaben konzentrieren müssen. Ganz wichtig: Wir müssen in der Seelsorge weiter nahe bei den Menschen sein. Und: Wir haben in der Diakonie ganz viele Aufgaben: In der professionellen, aber auch in der zwischenmenschlichen Nachbarschaftshilfe. Wir sind Menschen, die glauben, dass es etwas mehr gibt als das, was wir mit den Augen sehen. Den Menschen nahezubringen, was das für eine Kraft hat, die über das, was wir jeden Tag erleben, weit hinausreicht – das ist mir sehr wichtig.
Ihr Vorgänger Heinrich Bedford-Strohm hat sich oft zu politischen Fragen geäußert – insbesondere zu Flüchtlingsfragen. Was ist da von Ihnen zu erwarten?
Kirche ist politisch – das haben wir von Jesus gelernt. Er hat in vielen Punkten klar Stellung bezogen. Es geht aber eher um grundsätzliche Haltungen: Wie wollen wir zusammenleben in Europa, in Deutschland, in Bayern? Was braucht es an Verständigung? Wie gerecht soll es zugehen in einem Land? Auch in Bayern soll es gerecht zugehen! Da werde auch ich mich einmischen, auf Basis unserer christlichen Überzeugungen. Wir haben im Moment eine erhitzte Diskussion mit herablassenden Äußerungen über andere – das muss man ansprechen. So redet man nicht übereinander. Zu grundlegenden Fragen des Menschseins muss sich die Kirche äußern.
Kritiker werfen speziell der evangelischen Kirche vor, sich zu sehr als politischer Akteur zu verstehen und zu wenig als Verkünder des Glaubens.
Unser Kernthema ist natürlich der Glaube und die Spiritualität. Die Frage ist, wie und was man wahrnimmt und inwieweit Glaubensüberzeugungen auch das Handeln im Persönlichen und in der Politik beeinflussen? Mein Fokus ist auf die Menschen gerichtet, die ehrenamtlich und hauptamtlich bei uns in Bayern ganz viel für andere bewegen.
Rechtsextreme Ansichten erleben großen Zuspruch. Haben Sie Angst um die Demokratie in Bayern?
Wir haben hier eine stabile Demokratie. Die allermeisten Menschen in Bayern wissen ganz genau, was sie an den demokratischen Parteien haben. Aber ich finde schon, dass wir genau aufpassen müssen auf die Art und Weise, wie sich vielleicht etwas einschleicht. Wenn Dinge gesagt werden, von denen man dachte, dass sie nicht mehr gedacht und auch nicht mehr gesagt werden in Deutschland. Da ist es wichtig, wachsam zu sein. Ich bin frisch gewählt worden zum Sprecher des Bündnisses für Toleranz in Bayern: Toleranz und Bayern gehören zusammen.
Sie sind ein durch und durch positiver Mensch. Wie bewahren Sie sich trotz der schwierigen Weltlage Ihren Lebensmut?
Durch Beten! Religion kann einen wirklich unglaublich stärken. Ich bete jeden Tag. Mein Glaube lehrt mich Dankbarkeit. Das stärkt mich.
In Nahost, im Ursprungsgebiet der Christen, verschärft sich die Lage Tag für Tag. Wie können Religionsführer hier vermitteln?
Im Moment haben wir durch diesen entsetzlichen terroristischen Anschlag der Hamas eine derart eskalierte Situation, dass da fast nichts möglich scheint. Wir sind als Christinnen und Christen eine totale Minderheit im Heiligen Land. Aber wir dürfen nicht aufhören in der Verständigung. Religion war immer stark in der Frage: Wo könnte ein möglicher Kompromiss sein? Wir müssen Kompromisse finden. Religionen sind Kompromiss-Sucher – das müssen wir auch in Zukunft sein.
Sie sind nicht nur Bayerns Landesbischofs, Sie sind auch Ehemann, Vater und Großvater. Haben Sie einen Plan, wie Sie Ihr Privatleben retten wollen?
(lacht) Der Berliner Altbischof hat zu mir gesagt: „Dein Privatleben musst du am Empfang des Landeskirchenamtes abgeben.“ Das mache ich nicht! Ich möchte mit meiner Frau ins Kino gehen und mit meinen Enkeln auf den Sportplatz. Ohne das kann ich nicht Mensch sein. Es gibt Momente, da haben meine Frau, meine Familie oder Freunde Vorrang. Am besten sprechen wir in einem Jahr darüber, ob es gelungen ist.
Interview: Claudia Möllers