„Es muaß amoi a Ruah sei!“

von Redaktion

Michael, Stofferl und Karl Well zum Streit um einen Preis und ihren Bruder Hans

VON DIRK WALTER

München – Eine etwas missglückte Preisverleihung ist der Auslöser, aber bekannt ist ja schon länger, dass in der großen Familie Well ein Streit schwelt. Es geht um das Erbe der Biermösl Blosn. Um die Urheberschaft an Texten. Um das „Gesamtkunstwerk“. Und um den Familienfrieden. „Es muaß amoi a Ruah sei!“, sagt Michael Well. Er und seine Brüder Christoph (Stofferl) und Karl haben zum Gespräch gebeten. Die Kritik ihres Bruders Hans Well hat sie sehr getroffen, ja verletzt. So wie auch Hans Well sehr verletzt ist.

Ein Treffen in der Garderobe der Münchner Kammerspiele. Links der schmale verspiegelte Schminktisch, rechts ein altes Sofa, auf das sich Stofferl Well setzt. Auf einem Stuhl daneben Michael Well und stehend, manchmal auf die Tuba gelehnt, Karl Well. In zwei Stunden beginnt die Aufführung – „A scheene Leich“ zusammen mit Gerhard Polt. Vorher reden die drei Well-Brüder eineinhalb Stunden über den Streit mit ihrem Bruder Hans Well und das Ende der Biermösl Blosn. Lange hat das Trio, das sich nach der Trennung neu formierte, öffentlich geschwiegen. Aber jetzt wollen die drei doch ihre Sicht der Dinge darstellen – das erste Mal seit der Trennung der Gruppe vor nunmehr zwölf Jahren, wie sie betonen.

Was war passiert? Die „Well-Brüder“ und Gerhard Polt haben kürzlich in Berlin einen Preis der Deutschen Umwelthilfe für 40 Jahre Satire zu Umweltthemen erhalten. Hans Well war nicht eingeladen – er war gekränkt, er befürchtet, dass sein doch maßgeblicher Anteil an der Urheberschaft der Biermösl Blosn stillschweigend ausradiert wird. Er sieht es, so hat er es per E-Mail noch einmal betont, als „kulturelle Anmaßung des Verdienstes eines Mitspielers und menschlich gesehen keineswegs entschuldbar“.

Die Umwelthilfe hat sich mittlerweile entschuldigt, Hans Well hat den Preis nachträglich auch erhalten. Ja, sagt dazu Michael Well, „sicherlich war es ein Lapsus, allerdings nicht unsere Schuld, dass Hans Well nicht dabei war. Das wäre Aufgabe der Jury gewesen. Wir freuen uns, dass ihn Hans nachträglich auch erhalten hat.“ Und Karl Well sagt: „Hätten wir den Hans einladen sollen?“ – „wir“, die drei Brüder? „Wir sind doch nicht die Deutsche Umwelthilfe.“

Zwar sei der Preis für 40 Jahre Umwelt-Engagement verliehen worden und beispielsweise beim WAAhnsinns-Festival Hans mit Michael und Stofferl Well auf der Bühne gewesen. Aber dass sein Engagement so gar nicht gesehen wird, ärgert Karl Well dann doch: „Ich hab’ als Mitglied der Guglhupfa auch oft in Wackersdorf gegen die WAA gespielt, insofern habe ich auch keine Scheu, den Preis anzunehmen.“

Dann wird es grundsätzlich, die drei Brüder blicken zurück auf drei Jahrzehnte Biermösl Blosn. „Wir haben eine schöne Zeit gehabt“, sagt Michael Well. Irgendwann ging es nicht mehr, sagen sie. Die Trennung 2012 „war sehr schmerzvoll“. Der Streit über Form und Inhalte schwelte seit Langem, aber auch über viele Dinge, die höchst privat sind und die Öffentlichkeit nichts angehen. Michael Well sagt, er sei in dieser Zeit an Magenkrebs erkrankt – und er führe das nicht allein, aber auch auf die vielen Konflikte zurück. Es gab Zeiten schon vor der Trennung, da hatte das Bruder-Trio einen „Mediator“ engagiert, einen richtigen Psychologen, der regelmäßig Sitzungen veranstaltete. Jetzt eskaliert es von Neuem. „Wir müssen die Bremse reinhauen“, sagt Michael Well. Die drei sagen, es ärgere und verwundere auch Gerhard Polt, der beim Gespräch nicht dabei ist.

„Hans hat den Großteil der Textarbeit gemacht, das ist unbestritten, aber wir sind Co-Autoren“, sagt Michael Well zum Vorwurf von Hans Well, die Brüder würden sich „einen Teil meiner Biografie aneignen“. Co-Autoren – das ist wohl auch Definitionssache. Eine gleichberechtigte Textproduktion? Gemeint ist: Oft wurde bei der Fahrt im Auto stundenlang gestritten, um Nuancen, um die Zuspitzung. Ob es jetzt „mein Großvater“ oder „da Großvater“ im Liedtext heißt – „da Voda sitzt mit einer Flasche Bier vorm Video“. „Wir sind und waren alle drei gleichberechtigt.“ Das ist die Meinung von Stofferl Well. Die Biermösl Blosn nennt er „ein Gesamtkunstwerk“.

Aber jetzt gibt es die neuen „Well-Brüder“ Michael, Stofferl und Karl – ohne Hans. Dazu will das Trio etwas klarstellen: „Wir verwenden definitiv keine Texte von Hans Well.“ So sagt es Stofferl Well. „Wir haben jetzt in drei Kammerspielproduktionen, denk’ ich, gezeigt, dass wir das nicht nötig haben.“ Alle Texte der Biermösl Blosn sind bei der Gema auf Hans Well angemeldet.

Der Streit lastet auf der Familie. „Infantil“, „pubertär“, solche Vokabeln fallen im Gespräch auch. Appelle, die Wells sollten sich einfach vertragen, sind leicht dahingeschrieben. Das wird es so nicht geben, das wird bei dem Gespräch schnell klar.

Stofferl Well kann sich vorstellen, dass man „irgendwann einmal wieder eine Halbe in Ruhe mit dem Bruder“ trinken könne. Aber künstlerisch mache jeder sein Ding: „Mit der Biermösl Blosn is’ vorbei, das wird die Welt schon aushalten.“ Und dass jeder „seine eigene Wahrheit“ habe. Die Sehnsucht nach Harmonie sei ja immer da, auch im Publikum. „Aber die ist einfach zurzeit noch nicht herstellbar und das muss man akzeptieren, das kommt in den besten Familien vor.“

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