Rom – „Viele Befürchtungen sind enttäuscht worden – und viele Hoffnungen sind entstanden:“ Trotz der Erschöpfung nach vier Wochen Weltsynode hat Professor Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerks Renovabis in Freising, seinen Humor nicht verloren. Er zog gestern gegenüber unserer Zeitung eine positive Bilanz über die Versammlung im Vatikan. Der Theologe gehörte zu den 365 stimmberechtigten Mitgliedern der Weltsynode, die im Beisein des Papstes seit Anfang Oktober über Reformen in der katholischen Kirche diskutiert haben.
Gestern wurde die Synode mit einem Gottesdienst im Petersdom beendet, nachdem tags zuvor von den Teilnehmern eine 42-seitige Erklärung in allen Punkten mit Zweidrittelmehrheit verabschiedet worden war. Allerdings blieb das Papier in vielen Bereichen vage. Der größte Widerstand regte sich bei der Frage, ob Frauen künftig zum Diakonat zugelassen werden. Als Diakoninnen könnten sie Hochzeiten und Beerdigungen abhalten, aber keine Gottesdienste, heißt es. Immerhin bestehe ein dringender Bedarf, „dass Frauen an Entscheidungsprozessen teilnehmen und verantwortungsvolle Aufgaben in Seelsorge und Dienst übernehmen“. Zum Diakonat aber gebe es unterschiedliche Standpunkte.
In einem Jahr werden sich dieselben Synodalen wieder in Rom treffen, um einen weiteren Monat an Entscheidungsempfehlungen für den Papst zu arbeiten. Während Beobachter in Deutschland – wie der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller – nicht viel Hoffnung auf Veränderung haben, ist der Priester Thomas Schwartz zuversichtlich. „Wir sind endlich in einer globalen Kirche angekommen“, sagte er. Dazu hätten die Gespräche an den runden Tischen viel beigetragen. Es sei wirklich miteinander diskutiert worden statt – wie bei früheren Synoden – nur vorgefertigte Statements zu verlesen. „Man war zur Kommunikation gezwungen“, beschreibt es Schwartz. Und das habe dazu geführt, „dass man merkt, dass man zusammenbleiben will trotz aller Gegensätze“. Wenn man das wirklich ernst nehme, werde man Wege finden, das möglich zu machen – Schwartz vergleicht das mit einer Familie, in der man auch Mitglieder ertrage, die man nicht so verstehen kann. Verbale Entgleisungen gab es nicht. „Man hat jedem zugebilligt, dass er oder sie sich in jeder Weise darum bemüht, katholisch zu sein.“
Die gegensätzlichen Blöcke der Traditionalisten und der Reformer bestehen freilich weiter. Aber Schwartz sieht es etwa als großen Fortschritt, dass zum ersten Mal in einem kirchenamtlichen Dokument nicht von „sogenannten Missbrauchsfällen“ und Einzelfällen gesprochen werde, „sondern von dem systemischen Versagen einer Kultur der Macht, die von einem Klerikalismus unterstützt worden ist“.
Beim Diakonat der Frau, bei der Frage des Zölibats oder beim Umgang mit queeren Menschen begrüßt es Schwartz, dass Vertiefungen im Raum stünden. „Es wurde nichts einfach nur abgeschmettert“, betonte Schwartz. Es habe keinen einzigen Paragrafen gegeben, der mit weniger als 80 Prozent der Stimmen verabschiedet worden sei. „Das zeigt für mich, dass Themen, die vor 20 Jahren noch totgeschwiegen worden wären, jetzt besprochen werden können.“ Die Entscheidungen würden, so hofft Schwartz, 2024 getroffen. „Wir werden jetzt mit diesen Themen in einer globalen und diversen Kirche schwanger gehen müssen – und mal schauen, welche Geburt wir bekommen. Also, was dem Papst im nächsten Jahr an konkreten Dingen vorgeschlagen wird.“
Die große Aufgabe der Zukunft sei es, Vielfalt möglich zu machen und trotzdem zusammen zu bleiben. Man müsse jetzt definieren, was die Kirche zusammenhalte – wenn man das wisse, habe man Räume für Freiheit.
Auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und die Bewegung „Wir sind Kirche“ sehen Rückenwind für Reformen. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, nannte die Synode „sehr ehrlich – mutig war sie noch nicht“. Für 2024 forderte er diesen Mut. Papst Franziskus sagte, man könne mit Weitblick auf den Horizont blicken: „Auf geht’s mit Freude.“ Thomas Schwartz kehrt heute nach Freising zurück. Und dann heißt es erst einmal abnehmen – in den vier Wochen mit üppigem Mittag- und Abendessen „habe ich bestimmt vier Kilo zugenommen“. CLAUDIA MÖLLERS