Karwendel-Urgesteine sagen Servus

von Redaktion

Wirtsleute Gallenberger von der Brunnstein-Hütte hören nach 41 Jahren auf

VON CHRISTOF SCHNÜRER

Mittenwald – Fels vom Brunnstein, Institution der Berge oder Dauerbrenner vom Karwendel – es gibt viele Beschreibungen, die auf Hans-Peter Gallenberger zutreffen. In 42 Bergsommern in der Brunnstein-Hütte auf 1560 Metern Höhe haben sich der Mittenwalder und seine Frau Barbara diesen makellosen Ruf erworben. Doch nun ist für das Ehepaar im Karwendel Schluss. „Es ist der richtige Zeitpunkt“, sagt der „Galli“. „Und wir hören selbstbestimmt auf.“ Mit anderen Worten: Fröhlich Servus sagen, wenn’s am schönsten ist.

Am 31. Oktober geht mit dem Pachtvertrag also ein Kapitel Berggeschichte zu Ende, das 1982 begonnen hat. Hätte dem damals 24-jährigen Zimmerer jemand gesagt, dass aus diesem Abenteuer über vier Jahrzehnte am Stück werden, hätte er ihn für verrückt erklärt. „Eigentlich wollte ich es nur solange machen, bis die Kinder zur Schule ins Tal gehen.“ Doch die Gallenbergers kamen in all den Jahren von ihrer Brunnstein-Hütte nicht mehr los – und die fünf Buben und Mädchen wurden trotzdem groß und rechtschaffen. Tochter Katharina (35) fällt der Abschied dennoch schwer, dicke Tränen flossen. Was für ihren Vater völlig verständlich ist. „Das Madl ist ja mehr oder weniger dort oben aufgewachsen.“

Hans-Peter Gallenberger wollte als junger Mann nach dem Fachabitur in Weilheim eigentlich Holzbau in Rosenheim studieren. Doch dann hörte 1981 der Wirt der Brunnstein-Hütte nach nur drei Jahren auf. Also suchte die zuständige Alpenvereinssektion Mittenwald einen Nachfolger – es sollte unbedingt ein Einheimischer sein. Zwei Bewerber blieben in der entscheidenden Alpenvereins-Sitzung 1982 übrig. Die Wahl fiel in einer Kampfabstimmung auf den „Galli“.

Und so begann im Sommer desselben Jahres ein ebenso spannender wie stressiger Lebensabschnitt. „Ohne meine Frau wär’s nicht gegangen“, unterstreicht Gallenberger. Er kann seinem Nachfolger Florian Klotz – noch Single – nur den Rat geben, sich jemanden an die Seite zu holen. Denn das Hüttenleben ist alles. Nur nicht romantisch.

Der Arbeitstag für den „Galli“ begann um 5.30 Uhr und endete gegen 23 Uhr. Kuchen backen, Knödel drehen, Frühstück zubereiten und noch vieles mehr. 300 Fässer Bier à 40 Kilo brachte er pro Jahr in den Keller. Rückenschmerzen plagen ihn bis heute nicht. Auch Stress ließ der Fels vom Brunnstein nicht an sich ran, obwohl die Kundschaft stetig zunahm. Waren es zunächst nur 700 Hüttengäste, so übernachteten zur Hochzeit um die 3000 Bergsteiger in seiner lauschigen Unterkunft, die in der Ära Gallenberger völlig energie-autark wurde. „Das war schon immer mein Steckenpferd.“ Als er im Frühsommer 1982 loslegte, „war’s eine Nullstrom-Hütte“. Gekocht wurde anfangs mit Gas. Doch der „Galli“ setzte sich mit damals visionären Plänen durch und installierte schon 1984 eine Photovoltaik-Anlage. Später kam noch eine Bio-Kläranlage dazu.

Am 27. Januar wird Hans-Peter Gallenberger 66 Jahre alt. Doch er fühlt sich fit wie eh und je. In 42 Bergsommern ist er nie krank gewesen. Nur an einem Wochenende schwänzte er kürzlich. Da ging’s zur Masterfeier seines Sohnes Veit (26) nach Mannheim. Und dann gibt es ja noch Frederico, den inzwischen 15-jährigen Esel. Der treue Gefährte der Gallenbergers ist vor einigen Tagen mit den zwei Schafen voraus ins Tal – an der Materialseilbahn hat Frederico auf seinen Freund „Galli“ gewartet, als hätte er gewusst, dass es nun vorbei ist. „Doch Frederico bekommt nun eine Festanstellung beim Landratsamt“, sagt Gallenberger. Der Esel soll künftig als Wolfsschutz auf die rund 250 Mittenwalder Bergziegen aufpassen.

Auf die Gallenbergers wartet nun vor allem eines: viel Freizeit in den Sommermonaten.

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