Lochham – Peter Sickinger junior (34) hat vor zwei Jahren den Betrieb von seinem Vater übernommen. Der hatte ihn fast 40 Jahre lang geführt, zuvor einst von seinen Eltern übernommen. Eine Bäckerei und Konditorei, die heute Filialen in Lochham, Gräfelfing, Planegg, Martinsried, Krailling und Gauting hat. Über sein Handwerk sagt Sickinger, es ist das schönste der Welt. Doch Sickinger hat ein Problem. Er findet keine Mitarbeiter. 100 Angestellte hat er – rund 15 Stellen sind offen. Acht im Verkauf, drei in der Konditorei, der Rest sind Jobs wie Ausfahrer oder Spülkraft. „Der Personalnotstand ist so dramatisch wie noch nie in der Geschichte des Betriebs“, sagt er.
Vor gut zwei Wochen hat er deshalb eine ungewöhnliche Aktion gestartet. Vor jede seiner Filialen hat Sickinger ein Schild gehängt. Darauf steht, dass er 2000 Euro Prämie bezahlt für die Vermittlung einer qualifizierten Arbeitskraft, die bei ihm Vollzeit arbeiten will. „Kopfgeldjäger“ steht auf dem Plakat. „Wir wollen die Menschen ermuntern, die Bürgergeld beziehen, denen aber daheim die Decke auf den Kopf fällt“, sagt Sickinger und die Kritik am Bürgergeld ist kaum zu überhören. Es fehle der Anreiz zu arbeiten, findet er.
Früher, sagt er, haben in den Betrieben zu 90 Prozent gelernte Bäckereifachverkäuferinnen gearbeitet. Die Zeiten sind längst vorbei: „Heute lernen wir nur noch Leute an, aber das fundierte Hintergrundwissen fehlt natürlich.“ Das sei aber in einem Betrieb, der seine hochwertigen Produkte zu einem gewissen Preis verkauft, ein Problem: „Der Kunde erwartet zu Recht eine fachkundige Beratung.“ Von einem Hilfsarbeiter aus Afghanistan oder Syrien könne man das nicht erwarten, auch wenn diese Mitarbeiter im Verkauf oftmals sehr motiviert seien. „Es kommt einfach nichts nach, qualifiziertes Personal schon drei Mal nicht“, sagt Sickinger. Und Vollzeitstellen seien besonders unbeliebt – „niemand will mehr so viel arbeiten“.
Bei der Handwerkskammer für München und Oberbayern ist das Problem Personalmangel nicht neu. Kammereigene Daten zum Thema unbesetzte Stellen im Bäckerhandwerk gibt es zwar nicht, doch ein Sprecher verweist auf die Zahlen der Agentur für Arbeit: Von 2018 bis 2022 sank die Zahl der Beschäftigten in Bayerns Bäckereien um 6,2 Prozent. Das ist schon relativ deutlich – aber noch wenig im Vergleich zum Rückgang bei den Auszubildenden. Um 33 Prozent ist zum Beispiel die Zahl der Auszubildenden im Fachverkauf zurückgegangen. Mit 28,1 Prozent ähnlich hoch ist der Rückgang bei den Bäckerlehrlingen. Und: Jede zehnte bayerische Handwerksbäckerei hat in den fünf Jahren von 2018 bis 2022 ganz aufgehört.
Auch der Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk, der 1300 Betriebe vertritt, ist alarmiert. Geschäftsführer Stephan Kopp sagt: „Sie werden keinen größeren Betrieb finden, der keinen Personalmangel hat.“ Vor allem im Verkauf. Den Trend gebe es seit Längerem, seit Corona habe sich die Lage dramatisch zugespitzt. Was dazukommt, so Kopp, sind die hohen Energiepreise. „Es ist zu befürchten, dass viele Betriebe über kurz oder lang zumachen werden.“
Peter Sickingers Betrieb hält sich seinen Angaben zufolge gerade so über Wasser. Aber erste Auswirkungen spüren auch die Kunden: Vor Kurzem musste die Sickinger-Filiale in Martinsried für zwei Wochen zumachen. Nun also die Aktion mit der Prämie. Gebracht hat sie bislang aber noch nicht viel. Oder eher nichts. „Ein Bewerber hat sich gemeldet“, sagt Sickinger. Zum Bewerbungsgespräch kam der Mann aber dann doch nicht.