Jagdminister durch Geheimerlass

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Hat er sich verzockt oder ist es bewusstes Kalkül? Der neue Ressortzuschnitt von Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) gibt selbst Fachleuten Rätsel auf. Aiwanger soll die Ressorts Staatsforsten und Jagd vom Landwirtschaftsministerium übernehmen – dafür wandern die (wesentlich größeren) Ressorts Gastronomie und Tourismus dorthin. Was ändert sich bei Jagd und Wald? Vielleicht gar nicht so viel.

Für was ist Aiwanger genau zuständig?

Im 85-seitigen Koalitionsvertrag, den CSU und Freie Wähler vergangene Woche beschlossen haben, wird der Tausch der Ressorts mit keinem Wort erwähnt. Wohl aber in einer Zusatzvereinbarung, die geheim gehalten wird. Die Existenz bestätigt die Pressestelle der Freien Wähler, die sich auf Fraktionschef Florian Streibl beruft. In dem „Appendix“ ist auch geregelt, dass Aiwanger – anders als oft zu lesen – zwar die Jagd, aber nicht der gesamte Forstbereich unterstellt wird. Vielmehr wandern nur die Bayerischen Staatsforsten in seinen Zuständigkeitsbereich, Aiwanger selbst dürfte Aufsichtsratsvorsitzender werden. Der bayerische Staatswald ist ein ordentliches Pfund – der Staatsbetrieb hat 1300 Beschäftigte, umfasst circa 800 000 Hektar und damit zehn Prozent der Landesfläche.

Daneben gibt es aber auch noch 1,3 Millionen Hektar Privat- und Kommunalwald, den insgesamt 800 000 Eigentümer bewirtschaften. Der Privatwald bleibt in der Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums. „Mit der Trennung der Zuständigkeiten“ werde „ein konsistentes Regierungshandeln erschwert“, sagt Günther Felßner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, der die sogenannte Umressortierung „mit großem Erstaunen“ zur Kenntnis genommen hat. „Wichtig ist, dass die Forstverwaltung im Landwirtschaftsministerium weiterhin schlagkräftig bleibt.“

Müssen Gesetze geändert werden?

Ein Problem ist, dass sowohl im Bayerischen Waldgesetz als auch im Staatsforstengesetz jeweils das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Aufsichts- oder Jagdbehörde genannt ist. Müssen jetzt alle Gesetze geändert werden – mit aufwendiger Behandlung in den Ausschüssen und im Landtag? Offenbar ist das nicht so. Möglich macht es das Bayerische Zuständigkeitsgesetz (es heißt wirklich so) von 2013. Demnach können Ressortwechsel durch die Staatsregierung mit einer einfachen Rechtsverordnung in allen Gesetzen nachvollzogen, die Ministeriums-Bezeichnungen also ausgetauscht werden. Die Zustimmung des Landtags ist hierfür nicht notwendig.

Was ändert sich inhaltlich?

Von Richard Mergner, Landesvorsitzender des Bund Naturschutzes in Bayern, hätte man sich fast mehr Alarmismus erwartet. Doch Mergner klingt ganz entspannt. Im Koalitionsvertrag sei nirgends festgehalten, dass das Bayerische Waldgesetz geändert werden solle. Es enthalte, so Mergner, den Grundsatz „Wald vor Wild“ und „genügend Sicherungen“ für eine naturnahe Waldbewirtschaftung. Etwas besorgter klingt Hans Ludwig Körner: „Ein wesentlicher Bestandteil der Waldbewirtschaftung ist die Jagd“, sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Waldbesitzerverbands. Unter einem Jagdminister Aiwanger, der selbst Vorsitzender der Kreisgruppe Rottenburg im Bayerischen Jagdverband ist, werde „das Ringen um den naturnahen Waldumbau gewiss nicht einfacher“.

Ähnlich sieht es der frühere Forstbeamte Hans Kornprobst aus dem Landkreis Miesbach. Er erinnert daran, dass schon beim Erlass des Bayerischen Waldgesetzes 1974 die Philosophie eines naturnahen Waldumbaus verankert wurde. Der damalige Minister Hans Eisenmann (CSU) ist eine Legende. Mit Blick auf heute warnt Kornprobst aber: „Ein Waldgesetz ist nur so gut, wie es vollzogen wird.“

Konkrete Sorge ist, dass Aiwanger in den oftmals schwelenden Streit um die Bedeutung der forstlichen Gutachten eingreift. „Wir prüfen gemeinsam mit allen betroffenen Verbänden, das forstliche Gutachten einvernehmlich weiterzuentwickeln und fachlich zu stärken“, heißt es dazu etwas schwammig im neuen Koalitionsvertrag – ähnlich stand es schon im alten Vertrag von 2018. Die Gutachten stellen alle drei Jahre für die 750 Hegegemeinschaften in Bayern fest, wie hoch der Verbiss ist und geben Empfehlungen zum Abschuss von Rehwild – was in vielen Revieren immer wieder Streit zwischen Förstern und Jägern verursacht.

Ob sich das jetzt ändert? Die Förster sind den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten unterstellt, die Jäger haben jetzt Aiwanger als Schutzpatron. „Das könnte schon sein, dass da der Druck von außen steigt“, sagt ein Fachmann.

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