Der Wutbrief des Bahnexperten

von Redaktion

Pro-Bahn-Vorstand prangert den desolaten Zustand des Regionalverkehrs an

München/Weilheim – Er nennt es selbst einen „Brandbrief“: Norbert Moy (58) aus Weilheim, stellvertretender Vorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, ärgert sich über die Zustände auf der Pfaffenwinkelbahn. Sie sind für ihn ein Beispiel von vielen, in denen es grundlegend falsch läuft.

Eine Woche lang war der Abschnitt Peißenberg-Schongau jetzt gesperrt, als Ersatz fuhren ein (!) Bus und mehrere Taxis. Fahrgäste seien als lästige „Beförderungsfälle“ behandelt worden, sagt Moy. Eine seit Monaten bestehende Langsamfahrstelle bei Grasla sei letzte Woche von 30 auf 20 km/h herabgesetzt worden – er warte nur darauf, dass auch der Abschnitt Weilheim-Peißenberg bald ganz gesperrt werde. Die Bahn vergraule Stammkunden, klagt Moy.

Der Pro-Bahn-Aktivist kennt sich aus, er arbeitet bei einem Lokomotiven-Hersteller. „Das Sammelsurium an Leit- und Sicherungstechnik“ auf der Strecke der Pfaffenwinkelbahn, sagt er, führe zu absurd niedrigen Geschwindigkeiten – 20 km/h statt der eigentlich notwendigen 80 km/h. Selbst eine Entgleisung eines BRB-Zuges im Januar in Peiting habe nicht dazu geführt, dass die Strecke umfassend modernisiert werde.

Ergebnis, laut Moy: Viele Bahnkunden würden mittlerweile sogar lieber mit dem Rad bis Weilheim fahren, um den Anschluss zum Zug nach München nicht zu verpassen.

Für ihn ist das ein Symptom für den desolaten Gesamtzustand des Regionalverkehrs in Bayern. Jeder Kabarettist, sagt Moy, habe mittlerweile eine Nummer über die Deutsche Bahn im Programm, „mit der er sich der Lacher sicher sein kann“. Manche Politiker versuchten die Forderung nach einer bahnfreundlichen Verkehrspolitik mit der Aussage abzuwürgen, man „dürfe die Verkehrsträger nicht gegeneinander ausspielen“. Moy nennt das „eine perfide Argumentation“. Gut 100 Millionen seien in den Ausbau der Bundesstraße Peißenberg-Schongau gesteckt worden – die parallele Bahnstrecke verlottere. „Wer hat hier wen gegen was ausgespielt?“

Kürzlich zeigte eine Statistik der Bayerischen Eisenbahngesellschaft, dass der Regionalverkehr in Bayern im Jahr 2022 am unpünktlichsten seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen im Jahr 1996 war. Ein Blick in die sogenannte „La“ – das Verzeichnis der Langsamfahrstellen im Netzbereich Süd der DB AG – zeige, so Moy: Seit Juli 2022 habe die Zahl der Langsamfahrstellen um 75 Prozent zugenommen. Noch ein Beispiel: Die Werdenfelsbahn München-Garmisch-Mittenwald fährt seit Monaten nur abschnittsweise oder gar nicht. Immerhin: Es wird saniert für 100 Millionen Euro. Allerdings merkt Moy an, dass es sich um „Notreparaturen“ handele. Diese als „Investitionsprogramm“ zu verkaufen sei verfehlt. Neben mehr Ehrlichkeit „statt Marketingsprüchen“ seien auch weitere Tugenden gefragt: Mehr Transparenz etwa – Bürger hätten ein Recht, den Zustand der Infrastruktur ihrer Bahn zu kennen. Oder mehr Bereitschaft des Bahnmanagements, Verantwortung zu übernehmen. Die juristische Aufarbeitung des Unfalls mit fünf Toten bei Burgrain lasse indes befürchten, dass „man ein paar Eisenbahner als Bauernopfer“ vor Gericht zerren werde. Obere DB-Vorstände blieben ungeschoren.

Zum Schluss seiner Philippika bittet Moy um Entschuldigung: „Ich hoffe, dass ich mit diesen Ausführungen nicht die Gefühle der vielen Gutwilligen in der Bahnbranche und in der Politik verletzt habe.“ Aber: Dieser Ärger, der musste jetzt mal raus. DIRK WALTER

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