Mehr Teenager haben Suchtprobleme

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

München – Sebastian Müller hat es immer häufiger mit Jugendlichen zu tun, die opiathaltige Medikamente konsumieren. Jugendliche, die Schmerz- oder Schlafmittel nehmen – vor ein paar Jahren waren das noch Einzelfälle, erzählt der Leiter der Suchtberatungsstelle in Traunstein. Erst vor zwei Tagen hat sich Müller mit Suchtberatern aus ganz Bayern ausgetauscht – und erfahren, dass es vor allem in den Städten immer mehr Jugendliche gibt, die heroinabhängig sind. „Noch spüren wir das in Traunstein nicht – aber es wird wohl auch auf uns zukommen“, sagt er. Aktuell sind die Drogen, mit denen er es bei der Beratung von Teenagern am häufigsten zu tun hat, THC und Alkohol. „Wenn Jugendliche ein Suchtproblem haben, dann häufig mit mehreren Drogen.“

Die meisten Jugendlichen, die in seine Beratungsstelle kommen oder von ihren Eltern oder Richtern dorthin geschickt werden, sind zwischen 16 und 18. Einige aber auch deutlich jünger. Besonders groß sei das Risiko für ein Suchtproblem, wenn bereits die Eltern eine Suchterkrankung haben, erklärt Müller. „Etwa ein Drittel der Kinder wird dann selbst abhängig, ein weiteres Drittel erkrankt psychisch. Das heißt, nur etwa 33 Prozent der Kinder schaffen es, mit suchtkranken Eltern gesund zu bleiben.“

Nicht nur in Traunstein erreichen die Suchtberatungsstelle mehr Anfragen – von Jugendlichen, aber auch von besorgten Eltern oder Schulen. Die Konsummuster bei Jugendlichen seien sehr unterschiedlich, berichtet Bettina Lange von der Koordinierungsstelle der bayerischen Suchthilfe. Sie reichen von gelegentlichem Probieren bis hin zu riskantem Alkoholgenuss. „Vor allem der Cannabis-Konsum hat bei Jugendlichen in den vergangenen Jahren stark zugenommen“, berichtet Lange. Daneben würden aber auch Suchtstoffe wie Opiate, Partydrogen oder E-Zigaretten und Shisha-Tabak häufiger von Jugendlichen konsumiert. Auch der missbräuchliche Gebrauch von Medikamenten sei bei Jugendlichen ein Thema. Teenager sind für die Wirkungen von Suchtmitteln besonders empfänglich, erklärt Lange. „Sie haben ein höheres Risiko für langfristige psychische Gesundheitsstörungen und höhere Abhängigkeitsraten.“

Entsprechend wichtig ist die Rolle der Beratungsstellen, erklärt Lange. Besonders für Jugendliche mit vielen Problemlagen, sie bräuchten ein intensives Beratungsangebot. Allerdings gibt es in Bayern nur für Erwachsene ein flächendeckendes Sucht-Beratungsnetz. Seit Kurzem tagt ein Runder Tisch zur Entwicklung von Angeboten für Jugendliche mit Suchtverhalten. Gestritten wird vor allem darüber, wer die Kosten für die Beratung übernimmt. Bayernweit gibt es zwar 22 Standorte, die Suchtberatungen für Jugendliche anbieten. „Allerdings oft mit sehr niedrigem Stundenkontingent“, sagt Lange. „Wir können nicht länger abwarten“, sagt auch Sabine Weingärter, die Präsidentin der Diakonie Bayern und Vorsitzende der Freien Wohlfahrtspflege. Spätestens 2024, wenn Cannabis für Volljährige legalisiert wird, müsse die Prävention und das Hilfe-Angebot auf neue Füße gestellt werden.

Auch Sebastian Müller aus Traunstein blickt nicht ganz ohne Sorge auf die nahende Cannabis-Freigabe. Zwar erwartet er, dass der Beratungsbedarf steigen wird, wenn das Kiffen für Über-18-Jährige nicht mehr verboten ist. „Einige trauen sich dann vielleicht eher, sich Rat zu holen.“ Der Suchtberater sagt aber auch: „Letztendlich haben wir dann aber eine dritte legale Droge – welche Auswirkungen das haben wird, ist völlig unberechenbar.“

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