ICE streift Regionalbahn

von Redaktion

VON DIRK WALTER UND SUSANNE SASSE

Reichertshausen – Der ICE mit der Nummer 703 war in Berlin gegen 9 Uhr gestartet, Fahrziel war der Münchner Hauptbahnhof. Kurz nach dem Halt in Ingolstadt sollte der ICE gegen 14.15 Uhr am Bahnhof Reichertshausen (Landkreis Pfaffenhofen/Ilm) eine Regionalbahn, die Richtung München unterwegs war, überholen. Dabei kam es im Bereich einer Weiche „zum seitlichen Kontakt“, wie das Polizeipräsidium Oberbayern-Nord berichtet. Noch im Bahnhof kam der ICE zum Stehen. Die Polizei spricht von sieben leicht verletzten Erwachsenen, alle saßen in der Regionalbahn.

Die Journalistin Sonja Gibis saß in dem Unglücks-ICE und berichtet, wie sie den Moment des Touchierens erlebte. „Der Zug schwankte, wir dachten, er würde umkippen“, sagt sie unserer Zeitung. Gerade in diesem Augenblick, sagt sie weiter, sah sie, dass aus der Gegenrichtung ein weiterer ICE nahte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn ihr Zug entgleist wäre und mit diesem ICE kollidiert wäre. „Wir sind an einer Katastrophe vorbeigeschrammt“, diesen Eindruck hat die Journalistin. Und das sagten ihr auch die Feuerwehrleute vor Ort. Verletzt wurde sie nicht. „Ich habe mich ein bisschen verrissen.“

Der FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl, Phil Hackemann, saß zufällig in dem anderen ICE auf der Fahrt von München nach Ingolstadt. „Es gab eine Vollbremsung“, sagt Hackemann, „dann standen wir.“ Beide ICE standen nebeneinander im Bahnhof, vom Zugfenster aus konnte Hackemann beobachten, wie der Nachbar-ICE evakuiert wurde. „Am Bahnhof gab es ein Großaufgebot an Rettungskräften: Polizei, Sanitäter, THW – alle sind vor Ort.“ Mit ihrem Gepäck mussten die Passagiere über Leitern aufs Gleis hinabsteigen und wurden dann zum Bahnsteig geleitet. Auch die Regionalbahn der Linie RB 16 Nürnberg – München wurde geräumt, insgesamt wohl 1000 Personen. Vom Bahnhof ging es in die örtliche Ilmtalhalle, wo die zum Teil sichtlich aufgelösten Reisenden von Rot-Kreuz-Helfern versorgt wurden und auf Busse warteten.

Die Hintergründe des Unglücks sind noch unklar. Doch die Spekulationen blühen. Die Regionalbahn, ein Doppelstockzug, hatte in Reichertshausen regulär gehalten, der ICE auf dem Durchfahrtsgleis sollte vorbeifahren. Doch dann streifte der ICE mit deutlichem Tempo (Gibis: „Es war nicht Schrittgeschwindigkeit“) den Triebkopf des Regionalzugs, der zu weit in das sogenannte Lichtraumprofil des Durchfahrtsgleises hineinragte, wie ein Polizeisprecher unserer Zeitung bestätigte. Auf Fotos ist zu sehen, dass der ICE deutliche Schrammen hat. Ob der Regionalzug schon losgefahren war oder aber zu spät zum Halten kam und der Lokführer das nicht mehr korrigieren konnte, ist unklar. Auch stellt sich die Frage, ob technische Sicherungssysteme auf dieser Schnellfahrstrecke, auf der der gesamte Sprinter-Verkehr München – Berlin abgewickelt wird, richtig funktionierte.

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