München – Lebensmittel werden teurer – und alles andere auch. Kunden schauen genau auf die Preise. Das spüren vor allem die Erzeuger hochwertiger und hochpreisiger Produkte, zum Beispiel die Bauern, die ihre Produkte an die regionale Vermarktungsgemeinschaft „Unser Land“ liefern. Deren Qualität hat ihren Preis: Sechs Eier kosten bei Rewe 3,59 Euro, ein Kilo Bio- Weizenmehl 2,99 Euro oder der Becher Bio-Heumilch-Joghurt 75 Cent. Das ist vielen zu teuer. Adriane Schua aus Holzkirchen, Vorsitzende des Dachvereins und der Solidargemeinschaft Oberland e.V., erklärt die Folgen.
Verbraucher geben immer weniger Geld für Lebensmittel aus – lieber billig als bio. Merken Sie das auch bei Unser Land?
Leider ja. Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen wir derzeit einen Umsatzrückgang von 15 Prozent. Uns geht es nicht vorrangig um wirtschaftliche Erfolge, sondern um den Erhalt der regionalen bäuerlichen Strukturen, um den Schutz der Umwelt. Aber für unsere Erzeuger ist auch Wirtschaftlichkeit wichtig.
15 Prozent weniger Umsatz ist viel. Liegt das daran, dass die Menschen während Corona mehr Wert auf regionale Bio-Produkte gelegt haben?
Grundsätzlich hatten wir während Corona mehr Umsatz, das ist richtig. Aber die 15 Prozent Minus sind im Vergleich zu Durchschnittsjahren. Ich bin seit 16 Jahren bei Unser Land, an einen derartigen Einbruch kann ich mich nicht erinnern. Leider sehen wir keine Anzeichen dafür, dass die Entwicklung bald stagnieren wird.
Wie viele und welche Produkte verkaufen Sie?
Unser erstes Produkt war ein regional erzeugtes Brot. Nach nun 30 Jahren zählt das Netzwerk 300 Erzeuger, die in zehn Solidargemeinschaften vor allem rund um München und Augsburg organisiert sind. Unser Sortiment umfasst 120 Lebensmittel, vom Joghurt bis zu Nudeln, die wir an 850 Händler zweimal die Woche ausliefern. Darunter sind viele Supermärkte wie Rewe, Edeka oder Alnatura. Aber auch Hofläden. Eigene Läden betreiben wir nicht.
Steigen schon erste Landwirte aus?
Ja, die Tendenz gibt es. Ein Beispiel: Von den 22 Eier-Erzeugern Anfang des Jahres liefern aktuell nur noch 14 ihre Eier bei uns ein.
Wie begründen die Bauern ihren Ausstieg?
Sie hören auf, weil sie es wirtschaftlich nicht mehr tragen können. Wir haben hohe Standards. Die Mehrkosten, die den Bauern dadurch entstehen, bedeuten, dass sie nicht mehr wettbewerbsfähig sind mit Herstellern vergleichbarer Produkte. Am Supermarktregal entscheidet oft der Preis. Besonders merkt man das bei Eiern.
Erklären Sie uns das?
Die Unser-Land-Eier sind eindeutig hochpreisiger als andere. Das liegt an der nachhaltigen Erzeugung und an regionalen Futtermitteln –und an den Mehrkosten für deutsche Legehennen. Viele Konkurrenten im Supermarktregal erzeugen ihre Eier mit Legehennen aus dem Ausland, zum Beispiel aus Österreich, wo das Kükentöten nur eingeschränkt verboten ist. Wir nicht. Unsere Erzeuger zahlen für die Hahnenaufzucht mit, das bedeutet ein Drittel Mehrkosten beim Hennenkauf.
Und die Energiepreise sind auch hoch…
Ja, und andere Kosten steigen auch, zum Beispiel für Verpackung. Vom bürokratischen Aufwand ganz zu schweigen. Diesen Rattenschwanz tragen unsere Erzeuger. Aber eines unserer Anliegen ist, dass beim Erzeuger das Geld ankommt, das er für die Umsetzung der hohen Standards braucht. Leider funktioniert das immer seltener. Ich kenne einen Landwirt, der für uns Bio-Heumilch-Joghurt herstellt. Der hat einen Umsatzrückgang von 50 Prozent.
Ihre Produkte sind regional und zum Teil bio, auf den Verpackungen sind Bilder der Bauern, die sie herstellen. Warum kaufen nicht mehr Menschen solche Erzeugnisse?
Jeder hat durch die Inflation weniger Geld im Geldbeutel. Die Menschen sparen wohl als Erstes an den Lebensmitteln, geben ihr Geld lieber für andere Dinge aus. Viele haben nicht das Bewusstsein, welche Macht sie als Kunden haben. Was es in der Summe bedeutet, dieses oder jenes Produkt zu kaufen. Das wollen wir ändern. Denn wenn wir nicht regional denken, machen wir uns immer abhängiger, zum Beispiel vom Ausland.
Ist die Existenz von Unser Land gefährdet?
Wenn die Entwicklung zwei Jahre so weitergeht, sind wir als Regionalinitiative gefährdet. Aber besonders die bayerischen Erzeuger stehen mit dem Rücken zur Wand. Viele unserer Erzeuger wissen jetzt schon nicht mehr, wie sie weitermachen sollen. Und ob sie ihre Betriebe an die nächste Generation weitergeben sollen. Zum Teil sind hohe Investitionen nötig. Zum Glück sind die Umsatzzahlen in den Hofläden und an Verkaufsautomaten nicht so stark zurückgegangen. Damit fangen viele die schlechten Absätze im Supermarkt ab.
Was können Sie tun, um Unser Land zu retten?
Wir sparen selbstverständlich Kosten ein, wo es geht. Und wir informieren die Verbraucher über den Mehrwert, den Umweltgedanken. Es ist unglaublich wichtig, dass wir regional denken – auch beim Einkauf. Wie wir immer sagen: Wir müssen zusammenhalten.
Interview: Carina Zimniok