Garmisch-Partenkirchen – In den Ohren bayerischer Touristiker dürfte das fast ein bisschen provokant klingen. Neulich sagte der Chef des Arbeitsmarkt-Service Österreich, Johannes Kopf, dass die Tourismusbranche in dem kleinen Land auch für die kommende Wintersaison wieder auf tausende deutsche Arbeitskräfte setze. 12 000 waren es in der letzten Wintersaison: Sie arbeiteten in Skihütten, an den Liften, in den Hotels. Die Deutschen kämen, weil im Tourismus ein höheres Lohnniveau herrsche als in Deutschland, sagte Kopf. „Ob ich von Ostdeutschland nach Bayern gehe oder nach Tirol, entscheidet auch das Geld.“
Der Personalmangel treibt die Gastronomen und Hoteliers in Bayern ohnehin schon um – im grenznahen Gebiet kommt auch noch die Konkurrenz zu Österreich hinzu. „Wenn jemand in der Wintersaison arbeiten will, dann geht er natürlich dort hin, wo er am meisten kriegt“, sagt Christian Bär, Hotelier aus Murnau und Oberbayern-Vorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga. Vor allem, wenn die Grenze nur wenige Kilometer entfernt ist. Das versteht er – und doch regen ihn die „krassen Nachteile“ auf, die Oberbayern gegenüber Österreich habe.
Er selbst hat in seinem Haus, dem Alpenhof Murnau, keine richtige Saison. „Aber ich kenne die Situation von Berchtesgaden bis nach Lindau rüber“, sagt er. Arbeitgeber hätten es hierzulande viel schwerer. „Das treibt die eigenen Arbeitskräfte außer Landes.“
Der Mindestlohn ist in Deutschland eigentlich höher: 12 Euro, im Vergleich zu 10,40 Euro in Österreich. Allerdings gibt es einige Faktoren, die das ausgleichen, sagt Bär. Österreichische Arbeitgeber dürfen ihren Saisonkräften steuerfrei Wohnraum zur Verfügung stellen –bis 30 Quadratmeter. „In Deutschland ist das ein geldwerter Vorteil“, sagt Bär. Aus 300 Euro Miete werden mit Steuer schnell 400 Euro.
Und es gibt noch mehr Stellschrauben: So soll in Deutschland zum 1. Januar die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent erhöht werden – in Österreich gilt der reduzierte Satz von zehn Prozent. „Die Österreicher reiben sich die Hände“, sagt Bär. Die Preise für das Essen auf bayerischer Seite werden gigantisch steigen, prognostiziert er. Auch das hat mit dem Personalproblem zu tun – denn alle Mehrkosten kann der Wirt nicht an den Gast weitergeben. So bleibt ihm weniger, um das Personal ordentlich mit guten Löhnen zu locken. Und vor der Lkw-Maut, die in Deutschland zum 1. Dezember startet, fürchten sich viele Gastronomen und Hoteliers ebenfalls: Lieferanten etwa von Wäsche oder Lebensmitteln hätten schon Kostensteigerungen angekündigt.
Daniel Schimmer, der im grenznahen Garmisch-Partenkirchen zwei Bio-Hotels managt, sagt: „Wir laufen auf die Katastrophe zu.“ Viele Kollegen müssen sich auf die angespannte Situation einstellen. Eine Möglichkeit: Daniel Schimmer arbeitet in seinen Häusern mit einer leichten Überbesetzung. „Das kann sich aber nicht jeder leisten“, so Schimmer. Er versucht zudem, durch flexible Schichten ein attraktiver Arbeitgeber zu sein: „Ich teile zum Beispiel eine Stelle auf zwei Angestellte – eine will nur unter der Woche arbeiten, die andere nur am Wochenende.“
Auch bei der Zugspitzbahn, die nicht nur die Seilbahnen, sondern auch einige gastronomische Betriebe rund um Deutschlands höchsten Berg betreibt, hat man schon vor einigen Jahren reagiert: „Wir sind weg von der Saisonarbeit“, sagt Sprecherin Verena Tanzer. „Wir beschäftigen die Leute das ganze Jahr über.“ Das ist attraktiver – nur ein paar Aushilfen an den Liften und für die Pistenpräparierungen würden noch gesucht.
Ganz problemlos ist die Situation in Österreich übrigens auch nicht: Arbeitsmarkt-Experte Kopf fürchtet, dass nicht alle Stellen in den Ferienregionen besetzt werden können. Damit werde ein teils eingeschränktes Angebot bei manchen Hütten und Hotels einhergehen.