Ein Dorf geht bei der Asylhilfe neue Wege

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Holzkirchen – Lisa Richters ist heute nicht hier, um Dinge schönzureden. Ihre Aufgabe ist es, zu motivieren – und gleichzeitig muss sie ihre Workshop-Teilnehmer auf die Herausforderungen vorbereiten, die in den kommenden Monaten auf sie zukommen werden. Rund 15 Menschen sitzen an diesem Abend hier im Gemeindesaal der Kirche zusammen. Der Jüngste ist 21, die Ältesten über 70. Alle haben sich vorgenommen, in ein paar Monaten viel Freizeit zu opfern.

Denn Anfang kommenden Jahres wird in Holzkirchen im Kreis Miesbach ein Containerdorf für Flüchtlinge entstehen. Bis zu 220 Asylbewerber werden dort untergebracht. Doch die Helferkreise sind in den vergangenen Jahren stark geschrumpft oder haben sich sogar ganz aufgelöst – wie in den meisten bayerischen Kommunen. Teils aus Frust, teils aus Überforderung. Und ganz unabhängig davon, ob man die aktuelle Einwanderungspolitik für richtig oder falsch hält: Holzkirchens Bürgermeister Christoph Schmid (CSU) weiß, dass es die Gemeinde ohne ehrenamtliche Hilfe nicht schaffen kann, so viele Menschen zu integrieren. Deshalb war er dankbar, als Lisa Richters auf ihn zukam. Sie ist Ehrenamtskoordinatorin der Caritas. Und will die Menschen, die dem Aufruf der Gemeinde gefolgt sind, unterstützen. Mit Workshops im Vorfeld – und mit Beratung und Schulungen, wenn die Flüchtlingsarbeit begonnen hat.

An diesem Abend kommen die 15 Freiwilligen das erste Mal zusammen. Schnell einigen sie sich darauf, dass sie sich duzen wollen. So unterschiedlich sie sind, die Motivation zu helfen und Haltung zu zeigen verbindet schnell.

„Der Staat kann es nicht allein schaffen, so viele Menschen hier zu integrieren“, sagt Gabriele Güttler. „Was würde passieren, wenn niemand dabei hilft?“ Die 76-Jährige hat sich diese Frage schon einmal vor sieben Jahren gestellt – auch damals engagierte sie sich für die Integration von Flüchtlingen, hörte aber nach einiger Zeit wieder auf. Sie weiß, dass zur Asylhilfe auch viel Frust gehört. Und sie fühlte sich damals mit vielen Problemen alleingelassen. Es hat ihr Mut gemacht, dass es diesmal Unterstützung für die Helfer geben wird.

Lisa Richters arbeitet für die Caritas seit Jahren in der Flüchtlingshilfe. Bei diesem ersten Workshop will sie den Ehrenamtlichen nicht nur dabei helfen, sich bewusst zu machen, was ihre Motivation ist. „Man lernt bei dieser Aufgabe sehr viel über sich selbst, das kann ich euch versprechen“, sagt sie. „Aber so bereichernd die Asylhilfe ist, so herausfordernd ist sie auch.“ Geflüchtete kommen oft traumatisiert in Deutschland an, erklärt Richters. „Diese seelischen Verletzungen werden oft erst sichtbar, wenn sich die Situation beruhigt hat.“ Sie berichtet den Workshop-Teilnehmern über ihre Erfahrungen mit Panikattacken oder Reaktionen, die nicht immer leicht zu verstehen sind. Und sie erklärt ihnen auch, wo sie sich in solchen Situationen Hilfe holen können.

Richters ist es wichtig, dass die Helfer wissen, was auf sie zukommt. Zum Beispiel Fälle, in denen Asylbewerber einen negativen Bescheid bekommen und ausreisen müssen – obwohl sie alles dafür getan haben, sich in Deutschland gut zu integrieren. Auch auf Diskriminierungen im Alltag und kritische Kommentare will sie die Helfer vorbereiten. „Es werden euch viele Vorurteile begegnen. Und vielleicht auch Anfeindungen.“ Richters spielt mit den Ehrenamtlichen Beispiele durch und gibt Tipps. „Wir werden nicht oft überzeugen können“, sagt sie. „Aber es muss uns gut gehen bei dem, was wir machen.“

Valentin Schöllhorn hat nicht abgeschreckt, was er heute bei dem Workshop gehört hat. Im Gegenteil. Der 21-Jährige studiert Not- und Katastrophenhilfe. „Ich habe noch keine praktischen Erfahrungen“, sagt er. Aber jetzt, wo in seiner Heimatgemeinde eine große Flüchtlingsunterkunft entsteht, will er mithelfen. Vor Anfeindungen und Vorurteilen hat er keine Angst. „Es ist auch ein politisches Statement, bei der Integration mitzuhelfen“, findet er.

Auch Bürgermeister Christoph Schmid ist zum Workshop gekommen. Er möchte von Anfang an mit den Ehrenamtlichen in Kontakt sein, betont er. Auch wenn es Probleme oder Frust gibt, sei er Ansprechpartner. „Wir brauchen die freiwilligen Helfer. Ohne sie kann uns die Integration nicht gelingen.“

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