Es wird eng für Maskenhändlerin Tandler

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Seit gut zehn Monaten sitzt Andrea Tandler (40) in Untersuchungshaft, seit fast zwei Monaten läuft der Prozess wegen Steuerbetrugs im großen Stil – 23,5 Millionen soll die frühere Geschäftsfrau dem Fiskus hinterzogen haben. Es droht jahrelang Gefängnis. Dass dies Tandler zusetzt, ist ihr anzusehen. Sie hinkt, atmet schwer. Die Verteidigerin weist die Richter beim Prozesstermin gestern darauf hin, dass ihre Mandantin „gesundheitlich in schlechter Verfassung“ sei. Zwei Operationen gab es in der U-Haft, zudem beschwert sich die Verteidigerin über eine schikanöse Behandlung durch die Anstaltsleitung von München-Stadelheim, die selbst für die Vorführung zu Ärzten Handschellen angeordnet habe – weil erhöhte Fluchtgefahr bestehe. Auch vor Gericht erscheint Tandler regelmäßig in Handschellen, die ihr erst unmittelbar vor Sitzungsbeginn abgenommen werden. Die Anwältin spricht von Verstößen gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, die bei einer Verurteilung „strafmildernd“ zu berücksichtigen seien.

Denn das zeichnet sich jetzt schon ab. Dass Tandler straffrei ausgeht, ist aus Sicht des Gerichts sehr unwahrscheinlich. Die Beweislage habe sich eher verdichtet, deutet die Richterin an. Nachträglich bekannt gewordene Dokumente, etwa geschäftliche E-Mails, wirkten be- und nicht entlastend.

Angesichts dieser Lage hat auch die Verteidigung von Tandlers Kompagnon N. eine neue Strategie ersonnen. Sein Anwalt schiebt alles auf eine renommierte Steuerberatungskanzlei, die N. „grottenschlecht“ beraten und sozusagen in die Steuerfalle getrieben habe. Der Gastronom N. sei ein Kneipenwirt, „der hat vielleicht Ahnung, wie man ein paar Bier schwarz abrechnet“. Aber doch nicht von Tricks mit Einkommen-, Schenkung- und Gewerbesteuer. N. hat beantragt, nicht weniger als 13 Angestellte der Steuerkanzlei als Zeugen vorzuladen. Allerdings müssten sie von Tandler von ihrer Schweigepflicht entbunden werden – unklar, ob sie das macht. Der Anwalt weist auch darauf hin, dass die Verteidigerin von Tandler einst selbst für die Kanzlei tätig gewesen sei, woraufhin es im Gerichtssaal zum Eklat kommt. „Das sind Unterstellungen, die ich mir verbitte“, antwortet die Kollegin, die sich über den „polternden“ Kollegen beschwert.

Kaum denkbar, dass Tandler und N. noch eine gemeinsame Verteidigungslinie finden werden. Jeder sucht sein Heil jetzt offenbar alleine.

Zumindest der Verteidiger von N. sucht auch das Gespräch mit den Steuerbehörden. „Verständigungsgespräche“ laufen, was nicht leicht ist, da zwei Abteilungen des Finanzamts München und die Behörde in Kaufbeuren beteiligt werden müssen. Vielleicht kann eine nachträgliche Zahlung der Schenkungsteuer die Strafe mildern, vielleicht auch ein (Teil-)Geständnis.

Auch Tandler wird das nahegelegt. Sie habe bisher leider nichts zur Schadensbegrenzung „in die Waagschale geworfen“, sagt die Richterin. Der Prozess wird fortgesetzt.

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