München – Wilhelm Hoegner ist schon rein familiär eng mit der bayerischen Verfassungsgeschichte verbunden. Als Urenkel von Ludwig Hoegner, dem ersten Ministerpräsidenten des Freistaats nach dem Zweiten Weltkrieg, weiß er, was Freiheit und Demokratie bedeuten. Und er weiß, dass man diese unschätzbaren Werte verteidigen muss – gegen immer stärker werdende extremistische Kräfte.
Hoegner ist auch Präsidiumsmitglied des Vereins Bayerische Einigung. Und als solcher begrüßte er am Freitag anlässlich des Jahrestags der Bayerischen Verfassung die Gäste im voll besetzten Festsaal des Hofbräuhauses. Am 1. Dezember 1946 wurde die Bayerische Verfassung durch freie Abstimmung von den Bürgern angenommen.
Dass 77 Jahre später die Gedenkfeier im Zeichen des Themas „Ist unsere Demokratie in Gefahr?“ stand, zeigt laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), „wie schwierig die Entwicklung der vergangenen Jahre ist“. Demokratie sei kein Selbstläufer, sagte Herrmann. Er erlebe die immer stärker werdende Polarisierung in der Gesellschaft mit großer Sorge. Extremisten versuchten, in der Mitte der Gesellschaft Fuß zu fassen und den Staat zu destabilisieren – mit manipulativen Methoden. Herrmann: „Vor den Herausforderungen und Krisen der Gegenwart müssen wir entschlossener denn je für unsere Werte eintreten.“ Das bedeute auch Zeichen zu setzen gegen Judenhass, Rassismus und Intoleranz.
Ilse Aigner (CSU), Präsidentin des Landtags, warnte ebenso vor gezielter Stimmungsmache gegen staatliche Institutionen. Sie sei aber zuversichtlich, weil es viele junge Menschen gebe, die sich intensiv mit Demokratie auseinandersetzten. Aigner spielte damit auf die Träger des Verfassungspreises 2023 „Jugend für Bayern“ an. Ausgezeichnet wurde das Dossenberger-Gymnasium Günzburg für das Projekt „Lernzirkel Judentum“, das sich erfolgreich in der Antisemitismus-Prävention engagiert.
Hauptrednerin Ursula Münch befasste sich in ihrem Vortrag mit „Herausforderung und Schutz der Demokratie in Zeiten digitaler Manipulation“. Die große Gefahr für die Gesellschaft sei, dass sich in Sozialen Medien auch Leute mit extremistischen Botschaften tummelten. Die Politikwissenschaftlerin bezeichnete sie als „Krisen-Profiteure“, die mit Häme und Desinformation agierten. „Und mit Abgrenzung von Andersdenkenden.“ Sie halte es für einen Irrglauben, dass sich diese Kräfte wieder von selbst mäßigten. Münch: „Das Vertrauen in die Verfassung ist auch in digitalen Zeiten zentrale Herausforderung.“ KLAUS VICK