Gegen Tabus auf dem Bauernhof

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

Dießen/Herrsching – Der „Herrschinger Grundkurs“ ist im landwirtschaftlichen Kosmos in Bayern legendär. Zehn Wochen lang können sich junge Leute in der Bildungsstätte des Bayerischen Bauernverbands (BBV) am Ammersee persönlich und politisch weiterbilden, berufliche Ziele entwickeln, sich rhetorisch schulen und Freunde fürs Leben finden.

Die Bildungsstätte des BBV hat die Grundlage für viele Karrieren geschaffen – und so hat der Bauernverband zum 75-jährigen Jubiläum des Hauses der Landwirtschaft in Herrsching dazu aufgerufen, persönliche Erfolgsgeschichten einzusenden. Über 40 wurden geschickt, sogar der frühere Bauernpräsident Gerd Sonnleitner beteiligte sich – und beschrieb, wie er in Herrsching die Freiheit der Gedanken, Selbstbewusstsein und Selbstsicherheit lernte.

Selbstsicher und selbstbewusst ist auch Maximilian Knoller, Landwirt aus Dießen am Ammersee. Der 29-Jährige verknüpft seine berufliche und persönliche Erfolgsgeschichte mit der Herrschinger Bildungsstätte – hier fand er Raum und Zeit, sich über seine Zukunft Gedanken zu machen. „Von klein auf habe ich gewusst, dass ich den elterlichen Hof übernehmen möchte“, erzählt er. Maximilian Knoller absolviert die Ausbildung zum Landwirt und besucht dann noch die Technikerschule für Agrarwirtschaft in Triesdorf (Kreis Ansbach). Zum ersten Mal kommt er raus, trifft Gleichgesinnte. „Die Zeit tat mir gut. Ich habe gelernt, auch auf mich zu schauen“, schreibt er in seiner Erfolgsgeschichte. Mit dem Ergebnis: Maximilian outet sich 2017 als schwul – ein Bekenntnis, das die Eltern erst einmal verdauen müssen. „Wichtig ist, dass man nicht den Kontakt verliert und miteinander darüber reden kann“, sagt er rückblickend. Ein Familienbetrieb steht und fällt mit dem Zusammenhalt, weiß der junge Landwirt.

Der zehnwöchige Grundkurs in Herrsching 2018 ist für alle eine wichtige Zeit, um mit Veränderungen klarzukommen. Auch Veränderungen für den Hof, denn Maximilian Knoller ist immer mehr davon überzeugt, den Milchviehbetrieb auf Bio umzustellen. Nach einigen Diskussionen mit den Eltern wurde der „Seekuhhof“ vor drei Jahren auf Bio umgestellt. 80 Milchkühe und 30 zur Nachzucht sind heute auf dem Naturland-Hof am Dießener Ortsrand. Mit viel Platz und Zugang zur Weide. Maximilian Knoller legte auch einen eigenen Account in den Sozialen Medien an – um Verbraucher zu informieren, aber auch, „um Gleichgesinnten in der queeren Community zu vermitteln, dass Homosexualität in der Landwirtschaft kein Tabu ist“. Im vergangenen August hat der 29-Jährige seinen Mann geheiratet.

Beworben hat er sich für den Wettbewerb, um denen, die in einer ähnlichen Situation sind und ihren Eltern zu zeigen, ein „Coming-out in der Landwirtschaft bedeutet nicht, dass der Hof dann kaputtgeht“. Das sind „einfach auch die Kinder, die den Hof weiterführen möchten – egal, wen oder was man liebt“.

Immer wieder bekommt er Nachrichten von Landwirten, die älter sind als er und lieber warten wollen, bis die Eltern sterben – „und erst dann sie selbst sein können“. Für den Dießener Landwirt nur ein Ansporn, weiter aufzuklären. „Wenn jemand den Beruf gerne macht, dann ist es egal, ob er heterosexuell oder homosexuell ist.“ Maximilian Knoller will anderen schwulen Landwirten Mut machen: „Klar, das ist eine schwierige Zeit nach dem Outing, Aber für einen selber ist es dann eine große Erleichterung.“

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