München – Hatte Bayernkönig Ludwig II. blaue Augen? Ließ er sich von Bismarck kaufen? Und wozu verführte ihn die Fischerrosl? Viele Antworten rund um den weltberühmten Monarchen liefert nun ein Buch, das Gerüchte widerlegen und Wissenswertes vermitteln will: Seine Recherchen führten den Historiker Marcus Spangenberg unter anderem auf die Herreninsel, wo beinahe Bayerns erste U-Bahn entstanden wäre.
Über den Märchenkönig ist schon viel geschrieben und spekuliert worden. So ist nicht alles neu, was Ludwig-Experte Spangenberg für die Reihe „Populäre Irrtümer und andere Wahrheiten“ (Klartext-Verlag, 16,95 Euro) herausgefunden hat. Doch in kurzen Kapiteln unterhält der Wahlbayer auf vergnügliche Weise mit Eigenheiten und Lebensumständen der tragischen Figur. Und mit kuriosen Ideen: Die Verlegung von Gleisen auf der Herreninsel im Chiemsee ist nur eine davon. Bahnaffin, wie der König war, wollte er sein Schloss Herrenchiemsee per Zug umrunden können, Weil aber die Bahngleise vom Garten und schon gar nicht vom Schloss aus zu sehen sein sollten, wäre nur eine unterirdische Variante infrage gekommen, die letztlich ins Leere lief.
Spangenberg nimmt den Leser mit in Ludwigs komplexen Gedankenkosmos und liefert interessante Zahlen: So brannte etwa der kunstsinnige Herrscher so sehr für Bühnendarbietungen, dass er sich großzügig Separatvorstellungen gönnte, 209 an der Zahl – für viel Geld und für sich alleine. Menschenscheu wie er war, suchte er sein Glück nicht nur im Residenz- oder Nationaltheater, sondern vor allem in der Abgeschiedenheit. Bergwanderungen, Schlittenfahrten bei Fackelschein und nächtliche Ausfahrten in vergoldeten Kutschen waren nach seinem Geschmack. Von der „stumpfsinnigen Bevölkerung“ hielt er sich fern, mit dicken Schlossmauern schirmte er sich ab.
Dennoch war es wohl ausgerechnet das Volk, das Ludwigs berühmtestem Bauwerk seinen Namen gab. Während der Bauherr von „neuer Burg“ oder dem „Bau zu Hohenschwangau“ sprach, setzte sich in der Bevölkerung der Name „Neuschwanstein“ durch. Ebenso wie der Begriff „Kini“. Spangenberg ist der Meinung, diese Bezeichnung sei weder eine Verniedlichung durch Verehrer, noch eine Verunglimpfung durch Kritiker: „Kini“ habe sich aus dem Mittelhochdeutschen entwickelt – von „künec“ für König.
Keine eindeutige Antwort findet der Autor bei der Suche nach Ludwigs Augenfarbe. „Zeitzeugen konfrontieren uns mit einer großen Bandbreite an Farben“, schreibt Spangenberg. Und diese reichen von stahlgrauen Augen über dunkle bis hin zu braunen Augen. Offenbar neigten Künstler und Fotografen dazu, beim Kolorieren von Schwarz-Weiß-Fotografien und -Grafiken Ludwig II. (königs-)blaue Augen zu geben. Ob Kaiserin Sisi genau hingeschaut hat? In einem Gedicht beschreibt sie: „Die Augen strahlen Dunkel, Blau, wie der Prachtsaphir.“ Und der Mediziner Dr. Franz Carl Gerster notierte, er habe blaue Augen gesehen, „in die man schaute wie in einen Berg-See von märchenhafter Tiefe“.
Weit mehr als das Geheimnis um Ludwigs Augen beschäftigt patriotische Bayern die Frage nach Ludwigs Rolle bei der Deutschen Reichsgründung. Hat er Bayern an Preußen verkauft? Die Antwort: Hat er nicht. Der König habe den Beitritt Bayerns als „Akt von politischer Klugheit, ja von Notwendigkeit im Interesse der Krone und des Landes“ angesehen. Die jährlichen Zahlungen aus Bismarcks Geheimfonds in Ludwigs Privatkasse sah der Begünstigte nicht als ehrenrührig an, sondern als geboten – keine Bestechung, sondern ein Dankeschön.
Ludwig selbst zeigte sich auch gern erkenntlich. Oft beschenkte er andere, beispielsweise mit Büchern. Von der Geschichte „Die Fischerrosl von St. Heinrich“ war er so hingerissen, dass er seinem Lieblingsschriftsteller Maximilian Schmidt, genannt Waldschmidt, 100 Exemplare abkaufte. Er verschenkte sie, auch an seine Mutter Marie. Selbst habe der „königliche Bücherwurm“ nicht nur Tag und Nacht gelesen, so Spangenberg, sondern fast an jedem Ort Bücher verschlungen, auch beim Fischen im Alpsee. Und weil er mit dem Lesen gar nicht mehr nachkam, mussten Zeitgenossen mitlesen und ihm Zusammenfassungen mündlich oder schriftlich präsentieren. Das Ende von Waldschmidts „Leonhardsritt“ wird er leider wohl nie erfahren haben – es soll vor Ludwigs Tod aufgeschlagen auf dem Schreibtisch im Schloss Berg gelegen haben. CORINNA KATTENBECK