Weihnachtspost gegen die Einsamkeit

von Redaktion

VON CORNELIA SCHRAMM

Bischofswiesen – Franz Punz hat seine Pflicht schon erfüllt: Sorgfältig hat der 25-Jährige ein bayerisches Gedicht ausgesucht, in eine schöne Karte geschrieben und dazu einen ganz persönlichen Weihnachtsgruß hinterlassen. Den Empfänger kennt er nicht. Und trotzdem wird sein Brief pünktlich zu Heiligabend unter dem Christbaum einer ihm unbekannten Person liegen.

Genau dafür sorgt heuer im vierten Jahr ein Team aus zehn fleißigen Wichteln. Franz Punz ist selbst einer von ihnen. Er koordiniert die Poststelle der besonderen Art, die ab diesem ersten Adventswochenende wieder auf Hochtouren arbeiten muss. Gut 200 Weihnachtskarten haben die Jugendlichen aus Bischofswiesen im Berchtesgadener Land vergangenes Jahr in den ganzen Freistaat verschickt. Und heuer sollen es noch mehr werden.

Das Prinzip ihrer Aktion „Weihnachts-Post Überraschung“ erinnert an Wichteln. Jeder kann Weihnachtsgrüße an einen Unbekannten verfassen, ihn ans Pfarrbüro Bischofswiesen schicken und bekommt zu Heiligabend ähnlich nette Post zurück. Von Bischofswiesen aus schicken die Ministranten Briefe und Karten aber nicht wahllos weiter. Sie öffnen sie, lesen und staunen und vermitteln jedem Gruß ein passendes Gegenstück, jedem Verfasser den passenden Partner.

„Absender, die einen sehr langen Brief verfasst haben, bekommen einen, in dem es viel zu lesen gibt, zurück“, erklärt Punz. „Sehr schön gestaltete Karten werden an Empfänger weitergeleitet, die ihren Gruß ebenfalls kunstvoll gestaltet haben.“

In der Tat: In den Kisten der Wichtel finden sich opulente, selbst gebastelte oder auch sehr besondere gekaufte Weihnachtskarten. Einige sind per Scherenschnitt oder mit Stickern aufgehübscht, andere mit selbst gemalten Weihnachtsmotiven – da winken Schneemänner und Nikoläuse. Einen Brief ziert sogar ein gepresstes, vergoldetes Buchenblatt. Vergangenes Jahr lag einem Brief ein Origami-Kunstwerk bei – ein kleiner Engel aus gefaltetem Papier. Da geht Franz Punz das Herz auf: „Ich lege persönlich viel Wert auf die Gestaltung meiner Karte.“

Andere Absender hängen sich richtig in den Inhalt. „Einer hat mal eine Eigeninterpretation der Weihnachtsgeschichte verfasst“, berichtet Punz. „Außerdem schreiben viele Teilnehmer eigene Gedichte oder tiefgründige Texte über Weihnachten und den Frieden in der Welt.“ Manche berichten auch davon, wie sie Weihnachten als Kind erlebt haben.

Die Aktion schafft das, was sie soll: Sie animiert die Bayern, wieder Briefe zu schreiben – dazu, sich Zeit für andere zu nehmen. „Natürlich machen viele Ältere mit, deren Generation das Briefeschreiben richtig gelernt und gelebt hat“, sagt Punz. „Für die Jüngeren ist es eine wertvolle Erfahrung.“ Die Wichtel sind also in höherer Mission unterwegs. Ihre Idee entstand mitten in der Pandemie. Sie wollten nicht nur was gegen Einsamkeit tun, sondern auch pädagogisch was bewegen. „Wir machen Werbung an den Schulen“, sagt Punz. „Briefeschreiben sollten wir nicht verlernen.“

Bis an die Nordsee und nach Polen wurden schon Weihnachtspost-Überraschungen verschickt. Jede Rückmeldung freut das Team sehr. „Eine Dame hat mir mal erzählt, wie gerührt sie an Heiligabend war“, sagt Punz. „Weil ihr plötzlich klar wurde, dass sich zwei völlig unbekannte Menschen so schöne Dinge und gute Wünsche sagen können.“

Nur ein Wermutstropfen bleibt: Brieffreundschaften können sich nicht entwickeln. „Wir müssen leider den Datenschutz beachten“, sagt Punz. „Die Karten und Briefe dürfen den Namen des Absenders enthalten, aber keine Adresse.“ Die bleibt das Geheimnis der Wichtel – was die Überraschungspost unterm Christbaum aber nicht weniger schön macht.

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