München – Sie sind viele, sie sind auffällig – und werden geliebt und gefürchtet zugleich: Überall in Bayern sind heute Vertreter des heiligen Nikolaus unterwegs. In der einen Hand haben sie den goldenen Stab, in der anderen das goldene Buch – und noch etwas haben sie alle gemeinsam. Die Begeisterung für diesen Nebenberuf.
Einer der bayerischen Nikoläuse ist Leander Poschenrieder. Er ist sozusagen zum Nikolaus befördert worden. Mit seinem Bruder Nepomuk war der 40-Jährige seit 2008 gemeinsam unterwegs. Er war immer der Krampus – das war die Rolle, in der er sich wohlfühlte, erzählt er. Doch dieses Jahr hat er das Kostüm gewechselt. Das liegt daran, dass sowohl sein Bruder, als auch er inzwischen Vater sind – und am Nikolaustag zu Hause gefragt sind (ganz in Zivil allerdings). „Wir können beide nur sehr wenige Aufträge übernehmen“, erklärt er. Da sie aber einige Stammkunden haben, die sie nicht enttäuschen wollen, war der effektivste Weg, sich aufzuteilen. Leander Poschenrieder, der mit seiner Familie in Hohendilching im Kreis Miesbach lebt, hat sechs Hausbesuche vor sich – und freut sich auf jeden einzelnen. Nervös ist er angesichts der neuen Rolle nicht. „Ich war ja 15 Jahre als Krampus an der Seite meines Bruders unterwegs – ich hatte genug Zeit, den Text zu lernen“, sagt er und lacht.
Auch die Oberammergauer bekommen es dieses Jahr mit einem Nikolaus zu tun, den man eigentlich eher in anderen Rollen kennt: In diesen Tagen wechselt Christian Stückl zu gerne von der Regie ins Kostüm. Er unterstützt Oberammergaus dienstältesten Nikolaus Herbert Köpf schon seit fünf Jahrzehnten. Zum Schimpfen kommt er aber nicht vorbei. Manchmal, wenn die Eltern zu viel Tadel in ihre Schriftstücke packen, liest er gar nicht alles vor. „Ich sehe mich nicht als Erziehungsberechtigten“, sagt der 62-Jährige. „Das müssen die Eltern selbst schaffen.“ Stückl will lieber Freude als Angst in den Augen der Kinder sehen. Zwölf Familien im Ort besucht er mit seiner Schar. Die erste Adresse ist die von Frederik Mayet, seinem Freund und Arbeitskollegen. Letzter Termin wird das Mühlbartl sein. Dort trifft er sich mit den anderen beiden Oberammergauer Nikoläusen. Danach packt er das Nikolausgewand wieder in die Kiste auf seinem Speicher – und kehrt zurück in seine Rolle als Intendant des Münchner Volkstheaters.
Auch in Wolfratshausen gibt es natürlich einen Herrn Nikolaus – und sogar eine Frau Nikolaus. Die beiden verteilen aber keine Nüsse und Schokolade, sondern die Tageszeitung. Und das nicht nur am Nikolaustag. Rainer und Manuela Nikolaus sind noch nie in die Rolle des heiligen Nikolaus geschlüpft. Sie sitzen lieber mit dabei, wenn der Nikolaus ihre Enkel besucht und freuen sich darüber, wie die Kleinen über ihn staunen. Einmal, erinnert sich Rainer Nikolaus aber, hat sein Nachname für eine große Portion Enttäuschung gesorgt. „Mein Auto war in der Werkstatt“, erzählt der 56-Jährige. „Als ich anrief, um nachzufragen, wie lange die Reparatur dauern wird, meldete ich mich natürlich mit Nikolaus.“ Doch am Telefon war nicht der Werkstatt-Chef, sondern dessen jüngster Sohn. Der Bub war hellauf begeistert, schließlich glaubte er, den echten Nikolaus am Hörer zu haben. Doch als der Wolfratshauser seinen Wagen kurz darauf abholen kam, blickte er in enttäuschte Kinderaugen. „Du hast ja gar keinen weißen Bart“, sagte das Kind traurig. Und Geschenke hatte Rainer Nikolaus erst recht nicht dabei.
Dafür passiert es ihm und seiner Frau manchmal, dass sie am Nikolaustag beschenkt werden. Denn der ein oder andere Zeitungsabonnent nutzt den Tag, um sich bei seinen zuverlässigen Austrägern zu bedanken. Und was würde für die beiden besser passen als ein Schoko-Nikolaus? kwo/am/gog