Ist das die Verkehrswende?

von Redaktion

München wollte nicht – jetzt soll das Transportsystem Bögl, ein Mini-Transrapid, in Nürnberg gebaut werden. Macht das Sinn?

VON DIRK WALTER

München/Nürnberg – Eine alte Idee erlebte ihre Wiederkehr: Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat in einer Regierungserklärung angekündigt, den Bau einer Magnetschwebebahn auf einer Teststrecke in Nürnberg untersuchen zu lassen. Die Idee kommt nicht von Ungefähr – erst Ende November hatte Söder mit Finanzminister Albert Füracker (CSU) im Schlepptau eine Versuchsanlage des Baukonzerns Max Bögl in Sengenthal/Oberpfalz besucht und danach begeistert via „X“ verlautbart, das sei „Spitzentechnik made in Bavaria“ und „insbesondere für Strecken des ÖPNV konzipiert“.

Ein Transrapid 2.0 als Beitrag zur Verkehrswende? Man erinnert sich: Die erste Transrapid-Idee endete vor 15 Jahren kläglich: Der Bau einer Magnetschwebebahn wurde 2008 abgesagt, nachdem die Kosten für die 37 Kilometer lange Strecke vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen auf über drei Milliarden Euro gestiegen waren.

Mit dem alten Transrapid sei das „Transportsystem Bögl“ – kurz TSB – auch gar nicht zu vergleichen, beteuert die Firma. Der Transrapid alter Machart war für die Langstrecke gedacht und bis zu 500 km/h schnell. „Unser TSB ist ein Nahverkehrssystem für die Mobilität im urbanen Raum mit Geschwindigkeiten bis 150 km/h“, erläutert Produktmanagerin Theresa Guttenberger vom Projektteam. Es sei nach zehn Jahren Entwicklungsarbeit „ein serienreifes Produkt“.

An den urbanen Raum denkt nun auch Söder – er nannte eine Strecke zwischen Universität, Nürnberger Messe und Klinikum. Streckenlänge, Kosten und Zeitraum blieben freilich unerwähnt.

Auch Bögl bleibt dazu auf Anfrage eher vage: „Wie das konkret in Nürnberg aussehen würde, wird der weitere Planungsprozess zeigen“, betont die Firma. „Bei der Bauzeit gehen wir im Vergleich zu herkömmlichen Systemen aufgrund der aufgeständerten Bauweise von wesentlich kürzeren Realisierungszeiten aus.“ Eine Bögl-Bahn könne man „genauso flexibel trassieren wie eine Straßenbahn“.

Tatsächlich kam eine Studie im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums 2021 zu dem Ergebnis, das TSB könne eine „verfügbare und konkurrenzfähige Alternative“ zu schienengebundenen Verkehrssystemen wie Tram, U- und S-Bahn sein. Allerdings wurden auch Nachteile aufgeführt: hohe Fahrzeugkosten, bisher nur ein Anbieter begünstige Monopolbildung.

Auch die „Aufständerung“ auf Betonstelzen sei schwierig, heißt es in der Studie weiter, weil dann Bahnhöfe in Höhenlage errichtet werden müssten. Außerdem spreche die „mangelnde Integrationsfähigkeit“ ins herkömmliche Verkehrssystem gegen die Bögl-Bahn – sprich: man muss umsteigen, aber eine TSB-Haltestelle in bestehende U- oder S-Bahnhöfe zu integrieren, könnte schwierig werden.

Das sieht auch Grünen-Abgeordneter Markus Büchler als Problem an. Er hat, wie kürzlich auch Ministerpräsident Söder, die Bögl-Bahn selbst getestet. 2022 war das. „Das TSB ist leise, beschleunigt sauber und echt flott“, sagt der Unterschleißheimer. Fahrerlos und vollautomatisch. Allerdings stelle sich die Frage: „Wo integrieren wir das?“ Im dicht besiedelten Großraum München „fällt mir kein Anwendungsfall ein“, sagt er. Zum selben Ergebnis kam der Landkreis München, der 14 Trassenvarianten ins Auge fasste und für die Verbindung Neuperlach-Süd bis Brunnthal-Nord 2022 sogar eine Nutzen-Kosten-Analyse in Auftrag gab. Diese fiel negativ aus. Fast einstimmiger Beschluss der Kreisräte im Mobilitätsausschuss damals: Das TSB sei „keine sinnvolle Alternative“ im Vergleich zu einer Verlängerung der U5 nach Süden, die nun weiter verfolgt werden soll.

Ob es im ebenso dicht besiedelten Nürnberg Platz für eine Bahn auf Betonstelzen gibt, wird sich zeigen. Eins könnte sich jedoch als Vorteil erweisen, gerade wenn man die aktuelle Misere mit der S-Bahn betrachtet: Bögl betont, seine Bahn sei „witterungsunabhängiger“ als Schwebebahnen alter Machart, weil das Fahrwerk innerhalb des Fahrwegs verbaut ist. Die Betonsegmente sind nach unten nur mit Gittern verkleidet – Schnee rieselt durch. Am Dienstag fuhr die Bahn trotz 20 Zentimeter Schnee, davon gibt es ein Video auf Instagram. „Wir fahren bei jedem Wetter“, schrieb die Firma dazu.

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