„Die Bauern sind fix und fertig“

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS

Dachau – Stefan Sedlmair aus Puchschlagen (Kreis Dachau) ist auf 180. Was die Ampelkoalition zur Haushaltskonsolidierung den Bauern aufbürdet, macht den Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands richtig wütend. Die Streichung des Agrardiesels koste ihn auf seinem Milchviehbetrieb mit 100 Hektar Land 11 500 Euro im Jahr. „Und da ist die CO2-Besteuerung noch gar nicht dabei“, schimpft er. „Befürchtungen hatte ich, aber dann habe ich noch gedacht: Ernsthaft werden die das nicht bringen.“ Doch genau das macht die Bundesregierung.

Sedlmairs 300 Milchkühe und die etwa 300 Tiere in der Nachzucht werden per Fress-Misch-Wagen gefüttert – allein diese 200-PS-Maschine frisst im Jahr 20 000 Liter Diesel. Dann muss der Bauer mit dem Traktor, mit dem Maishäcksler, mit Schlepper und Kipper raus auf seine Felder. Macht insgesamt 60 000 Liter Diesel im Jahr. Diese Fahrzeuge waren bisher von der Kraftfahrzeugsteuer befreit. Doch in ihrer Finanznot haben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) auch diesen Posten im Visier. „Für mich ist das krass“, schüttelt Sedlmair den Kopf. 440 Millionen Euro würden den deutschen Bauern durch den Wegfall des Agrardiesels gestrichen, die Kfz-Steuer würde sie nochmals 480 Millionen Euro kosten – über 900 Millionen Euro werden der Landwirtschaft aufgebürdet.

„Die wollen uns weghaben“, hört er seit Mittwoch von verzweifelten Bauern am Telefon. „Die haben richtig Angst. Die Bauern sind fix und fertig.“ Eineinhalb Wochen vor Weihnachten denkt keiner von ihnen ans Fest der Liebe. Was die Landwirte vor allem ärgert: Es sei wieder ein deutscher Alleingang. Wenn Agrardiesel in der gesamten EU gestrichen würde, dann könnte Stefan Sedlmair noch damit leben. Aber so führe diese Streichung zu einem riesigen Wettbewerbsnachteil. Die meisten Länder seien noch besser bedient beim Agrardiesel. „Die satteln bei uns national immer mehr drauf“, kritisiert er – wie auch bei der Tierhaltungsverordnung. Zudem seien die Dieselkosten ohnehin deutlich gestiegen in der letzten Zeit: „Vor zwei Jahren habe ich noch 1,10 Euro für den Liter Diesel gezahlt.“ Abzüglich der Beihilfe von 21,48 Cent lag der Dieselpreis unter 90 Cent. Heute kostet der Diesel 1,67 Euro – davon geht die Dieselvergütung ab.

Auch die Steigerung bei der Maut gehe zu Lasten der Bauern, denn die Molkereien gäben das bei den Preisverhandlungen weiter. Vor allem von der FDP sind die Landwirte enttäuscht: Von den Liberalen hätten sie sich Rückhalt gewünscht. Auf der Grünen Woche in Berlin dürfte sich die Bundesregierung auf heftigen Protest einstellen.

Bayern Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprang den Bauern bei: „Ampel, es reicht“, schrieb er auf X, früher Twitter. Agrardiesel sei vergünstigt, weil Bauern überwiegend auf Äckern fahren: „Die Bundesregierung will offenbar, dass Landwirte mehr auf Straßen fahren. Beispielsweise zum Demonstrieren nach Berlin. Könnt ihr haben.“ Heute geht es schon los mit Demos um 9.30 Uhr vor den Parteizentralen von SPD, Grünen und FDP in München. Montag wird in Berlin an der Siegessäule protestiert. 5000 bis 10 000 Bauern sollen kommen – allein aus Bayern mit zehn Bussen.

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