Rätselraten ums Gendern an Schulen

von Redaktion

VON DIRK WALTER

München – Eine Woche nach der Verbots-Ankündigung rätseln die Betroffenen, wie sie beim Gendern vorgehen sollen. Dabei schien die Anweisung relativ klar. „Für Bayern kann ich sagen: Mit uns wird es kein verpflichtendes Gendern geben“, sagte Markus Söder (CSU) in seiner Regierungserklärung vergangene Woche. Und weiter: „Im Gegenteil: Wir werden das Gendern in Schule und Verwaltung sogar untersagen.“

Doch die Ansage ist nur auf dem ersten Blick eindeutig: Soll nur das Schulpersonal das Gendern unterlassen? Oder auch die Schüler? Wird die Verwendung des Doppelpunkts („Schüler:innen“) in einem Deutschaufsatz künftig als Fehler angestrichen? Und wie ist das Gender-Verbot an den Universitäten umzusetzen? Gilt hier nicht nach dem Grundgesetz (Artikel 5) die Freiheit von Forschung und Lehre?

Viele Fragen – wenige Antworten. BLLV-Präsidentin simone Fleischmann nannte das Verbot „weltfremd“. Ähnlich sieht es Walter Baier, Chef der Direktorenvereinigung. „Gendern war bisher kein Thema bei uns, warum sollte man es zu einem machen?“, fragt der Leiter des Gymnasiums Bruckmühl. „Ich würde mich sträuben, es mit Sanktionen umsetzen zu müssen.“

Mit der bisherigen Maßgabe des Kultusministeriums waren eigentlich alle zufrieden: Ministerin Anna Stolz (FW), vom Söder-Vorstoß erkennbar überrascht (wenn nicht düpiert), hatte diese in einem Interview mit unserer Zeitung bekräftigt: „Wir folgen den Vorgaben des Rats der deutschen Rechtschreibung.“ Dort werden Genderzeichen nicht als Kernbestandteil der Rechtschreibung anerkannt. „Wenn es ein Kind trotzdem macht“, so Stolz, „wird es nicht als Fehler gewertet, aber markiert. Das ist also ein pragmatischer Umgang mit dem Thema.“ In einem Beschluss zur Petition im Bayerischen Landtag wurde das vergangene Woche noch einmal deutlich. Ein Petent aus dem Kreis Landsberg hatte gefordert, die Staatsregierung möge Schulen zu einer korrekten Schreibweise verpflichten (also ohne Gendern). Fast alle Abgeordneten stimmten dabei – einen Tag nach der Regierungserklärung – der Linie von Stolz zu, auch die Abgeordneten von CSU und FW. Ketzerischer Kommentar der Grünen-Abgeordneten Gabriele Triebel dazu: Die lassen sich wohl „vom Gender-Wahn des Ministerpräsidenten nicht anstecken“.

Aus dem Kultusministerium heißt es jetzt allerdings, so werde es wohl nicht bleiben können – zu eindeutig sei Söders Machtwort. Ausführungsbestimmungen für Schulen liegen jedoch noch nicht vor.

An der Ludwig-Maximilians-Universität München gibt es keinen „Sprachleitfaden“, wie die Pressestelle betont. Verwaltung und Homepage verzichten indes auf Sonderzeichen, sagt eine Sprecherin. Dies habe auch das Wissenschaftsministerium in einem Schreiben erst zu Beginn des Wintersemesters Ende Oktober klargestellt, bestätigt ein Ministeriumssprecher. Minister Markus Blume (CSU) erklärt: „An Bayerns Hochschulen gilt: Klares Nein zum Gendern.“ Alle Leitungen seien „angewiesen“ worden, das zu beachten. Allerdings erwähnt der Minister nur den „amtlichen Schriftverkehr“, also etwa zwischen Unis und Behörden. Ergo: Für Professoren gibt es wohl einen gewissen Freiraum.

An der TU München wird seit Jahren gegendert, sowohl in der Verwaltung, in Pressemitteilungen als auch von Professoren. Im von der TU federführend erstellten Berichtsband zur Pisa-Studie, der letzte Woche erschienen ist, wird durchgängig „Schüler:innen“ und „Begutachter:innen“ geschrieben. Sogar TU-Chef Thomas F. Hofmann, kürzlich zum Hochschulmanager des Jahres ausgezeichnet, nutzt Gender-Ausdrücke wie „Kolleg:innen“. Bleibt’s dabei? „Wir warten jetzt mal auf die Ausführungsbestimmungen des Ministeriums“, heißt es aus der Pressestelle.

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