Geht es um Krippen, gibt es für Martin Königsdorfer keine Jahreszeiten. Der 39-Jährige baut das ganze Jahr daran – zum Beispiel mit den Teilnehmern seiner Krippenbaukurse an der Schule für Holz und Gestaltung in Garmisch-Partenkirchen. Er verrät, warum der Krippen-Zauber jeden in seinen Bann zieht.
Sie geben das ganze Jahr lang Kurse. Braucht man nicht Weihnachtsstimmung fürs Krippenbauen?
Nicht unbedingt. Die Vorfreude auf Weihnachten kann auch im Sommer da sein. Viele Teilnehmer freuen sich im August schon darauf, etwas zu schaffen, das sie am Heiligen Abend aufstellen können. Klar, manchmal ist es seltsam, an Krippen zu arbeiten, wenn draußen 25 Grad sind und man die Rasenmäher hört. Aber wenn man eine Krippe baut, lebt man ganz in dieser Welt – und kann alles andere vergessen.
Was macht diesen Zauber von Krippen aus?
Jeder schafft gerne etwas mit den eigenen Händen, das steckt in uns drin. Für viele ist das ein schöner Ausgleich zu einem Schreibtischjob. Und die Krippen selbst berühren uns Menschen im Innersten. Sie stehen für Werte wie Beständigkeit, Geborgenheit, Fürsorge und Hingabe. Und natürlich für Familie. Krippen erinnern uns an unsere Kindheit, an Menschen, mit denen man schöne Tage verbracht hat. Bei mir ist das mein Großvater.
Hat er auch Krippen gebaut?
Ja. Eigentlich wäre er gerne Bildhauer geworden. Aber er musste den landwirtschaftlichen Hof übernehmen. Die Bildhauerei blieb seine Leidenschaft. Von ihm habe ich die Liebe für Holz. Ich habe viel mit ihm gebaut. Seit damals sind Krippen ein wichtiger Teil meines Lebens.
Kann man Krippen bauen, ohne gläubig zu sein?
Ich glaube, das ist schwer. Herzblut gehört dazu. Ein ungläubiger Mensch würde sich vermutlich keine Krippe aufstellen. Ich bin auch niemand, der jeden Sonntag in die Kirche geht. Glaube kann aber auch Dankbarkeit bedeuten – dafür, dass man gesund ist, zu essen hat, in einer schönen Natur lebt.
Wie wichtig ist der Heimatbezug bei Krippen?
Franz von Assisi sagte: Baut Krippen, aber baut sie nach eurer Heimat. Das würde bedeuten, dass wir hier nur alpenländische Krippen aufstellen sollten. Orientalische Krippen würden dann nur in den Orient passen. Ich glaube, er meinte eher, man sollte einen Bezug zur Krippe schaffen. Das kann auch ein nachgebauter Stall sein, der ums Eck ist. Hauptsache, es bedeutet etwas.
Was kommt Ihnen auf keinen Fall in die Krippe?
Kitsch. Rote Lichterketten, bunte Lampen. Schon ein Klohäuserl passt für mich nicht in eine Krippe. Das macht die Stimmung kaputt. Aber man darf schmunzeln müssen, wenn man eine Krippe anschaut. Ich habe zum Beispiel einmal einen Bub eingebaut, der einen Schneeball nach einer Figur wirft. Krippen dürfen lebendig sein. Es darf Alltagsszenen geben – aber sie müssen authentisch sein. Ich möchte, dass meine Krippen Menschen zum Nachdenken bringen. Es gibt in der heutigen Zeit so vieles, was keine Tiefe mehr hat. Krippen müssen die Seele berühren.
Kann jeder Krippen bauen oder braucht man Talent?
Das kann jeder. Aus meinen Kursen sind bisher alle mit einer fertigen Krippe nach Hause gegangen. Die Teilnehmer sind Männer und Frauen aller Altersgruppen. Der jüngste war 16, der älteste 86. Er wollte seinen Kindern etwas Schönes hinterlassen.
Woher nehmen Sie Ihre Ideen?
Ich gehe mit offenen Augen durch die Welt. Manchmal entdecke ich im Urlaub ein nettes Detail, das ich einbringen kann. Mit dem Material ist es genauso. Ich komme selten von einem Spaziergang ohne Steine oder Stöckchen nach Hause. Wenn wir in die Berge gehen, habe ich auf dem Hinweg eine Brotzeit im Rucksack und auf dem Rückweg Wurzeln und Moos.
An Ihrer eigenen Krippe bauen Sie seit Jahren. Muss sie perfekt sein?
Klar, an mich habe ich einen hohen Anspruch. Und ich würde meine Krippe niemals unter den Christbaum stellen – da gehört sie nicht hin. Schon auf frühen Darstellungen standen Krippen immer auf Anrichten. Was bedeutet es für die Wertigkeit einer Krippe, wenn sie auf dem Boden steht? Dann schaut man von oben darauf, sieht viele Details gar nicht. Die Christbäume sind seit Anfang des 19. Jahrhunderts immer größer und dominanter geworden. Die Krippen darf man nicht darunter verstecken. Unsere Krippe steht am Stubeneingang. Sodass wir am Tag immer wieder daran vorbeilaufen. Dann schaue ich rein, mache mir meine Gedanken – und freue mich an dem Krippen-Zauber.
Interview: Katrin Woitsch