„Ein gewaltiger Schritt für die Weltkirche“

von Redaktion

Kardinal Marx begrüßt Zulassung von Segen für Homosexuelle und Wiederverheiratete

München – „Aha, es geht! Das, was wir getan haben, geht.“ Der Münchner Kardinal Reinhard Marx zeigte sich gestern im Münchner Presseclub erleichtert über die Erlaubnis aus dem Vatikan, wonach gleichgeschlechtliche Beziehungen und wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Bedingungen gesegnet werden können. Bislang war das vom Vatikan ausdrücklich untersagt worden, wenngleich es auch im Münchner Erzbistum an zahlreichen Orten Praxis war – und Marx deutlich gemacht hatte, dass er keinen Geistlichen deshalb maßregeln werde. Er sei ein wenig überrascht gewesen: „Ich dachte nicht, dass es so schnell geht, dass so ein Signal kommt.“ Er sei froh, dass man das jetzt vom Tisch habe.

Als Nächstes soll die Deutsche Bischofskonferenz ein paar Leitlinien dazu vorlegen. Einen festen Ritus oder eine Norm darf und soll es nicht geben, um eine solche Segensfeier nicht mit der sakramentalen Ehe zu verwechseln. Auf die Frage, ob man heute in der katholischen Kirche offen homosexuell leben könne, ohne Nachteile zu befürchten, antwortete Marx mit einen klaren „Ja, ich denke schon“. Man habe ja auch das kirchliche Dienstrecht geändert in Bezug auf Homosexuelle und wiederverheiratete Geschiedene. Das heiße aber nicht, dass die Diskriminierung von Homosexuellen in der Gesellschaft damit vorüber wäre – „da ist die Kirche Teil der Gesellschaft“.

Der Text der obersten Glaubensbehörde des Vatikan ist für Marx ein „Schritt in die richtige Richtung“. Die Wortwahl – so werden wiederverheiratete Geschiedene als Paare, die in einer irregulären Situation leben, bezeichnet – nannte der Kardinal „nicht ganz glücklich“. Die Wortwahl sei schon viel besser als bei dem Schreiben vor drei Jahren, aber der Text „eiere“ ein wenig: Auf der einen Seite wolle man gegenüber den vorherigen Autoren nicht den Eindruck erwecken, dass sie im Irrtum seien, auf der anderen Seite aber auch weitergehen. Man versuche in römischen Texten, das in eine Kontinuität zu bringen: „Wer den Text liest, weiß: Das klappt nicht immer so.“ Zum Begriff „irregulär“ erklärte der Kardinal, es gebe in der katholischen Kirche keine zweite sakramentale Ehe. „Die kann aber manchmal glücklicher sein als die erste – das eine ist die Theorie, das andere die Praxis.“ Ein solcher Text müsse nicht der Leittext der Pastoral sein. Für den Seelsorger gebe es aber nun einige „Freiheitspunkte“ – jetzt habe man den Raum zu sagen: „Zunächst einmal steht der Mensch vor mir.“ Das gelte auch bei den Homosexuellen. Es sei nicht so, dass sie zu tausenden Paaren an die Kirchentüren klopften: „Es kann aber sein, dass ein solches Signal jetzt dazu ermutigt.“

Insgesamt urteilte der Kardinal: „Für die Weltkirche ist die Erklärung, dass das möglich sein soll, gewaltig. In Afrika werden bestimmt einige den Kopf schütteln.“ Auch für die Weltsynode sei die Erklärung ein wichtiger Hinweis.

Marx ist überzeugt davon, dass sich die Sexualmoral der Kirche weiterentwickeln müsse, von einer Verbots- zu einer Beziehungsmoral. Zur Sexualität gehörten Liebe, Hingabe, Verlässlichkeit und der Wunsch nach Treue. „Die andere Person darf nicht für die eigenen Zwecke benutzt werden“, sagte er. Aber jeden sexuellen Akt außerhalb der Ehe als schwere Sünde zu betrachten, „das geht zu weit“. Die meisten Menschen wollten eine lebenslange Beziehung, daher sei die katholische Sexuallehre nicht abwegig. Er sei ein „Anhänger der romantischen Liebe“. Doch man müsse auch schauen, wie die Kirche mit dem Scheitern umgehe. CLAUDIA MÖLLERS

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