Mordfall nach knapp 24 Jahren gelöst?

von Redaktion

VON JULIAN LIMMER

München – Am Tag, an dem Seher Ö. sterben musste, waren ihre vier kleinen Töchter gerade außer Haus. Sie verbrachten das Wochenende beim Vater, dem Noch-Ehemann der 28-jährigen Türkin. Als dieser die Mädchen am Sonntag, dem 20. Februar 2000, zurück zu ihrer Mutter bringen wollte, war sie tot. Sie hing am Türknauf eines Kleiderschranks ihrer Wohnung im Münchner Hasenbergl, wo die Türkin mit ihren Kindern lebte. Schnell war klar: Es war Mord. Die Obduktion zeigte, dass die 28-Jährige erdrosselt wurde. Ihr Mörder wurde jedoch nie gefasst.

Jetzt – fast 24 Jahre später – ist der Polizei aber der Durchbruch in dem Fall gelungen. Die Ermittler haben einen Tatverdächtigen festgenommen. Es ist der damalige Ehemann der Ermordeten – Hayati Ö. (56). Ein Bekannter der Familie brachte den entscheidenden Hinweis: Der Täter habe ihm bereits damals den Mord an Seher Ö. anvertraut. Damit ging der Zeuge nun zur Polizei. Nach den vielen Jahren habe ihn das Gewissen geplagt. „Er hat sich endlich getraut, das Richtige zu tun“, sagt Staatsanwältin Anne Leiding.

Bereits kurz nach dem Mord war der damals 32-jährige Ehemann von Seher Ö. ins Visier der Ermittler geraten. Er verbrachte sogar vier Wochen in Untersuchungshaft. Kam aber wieder frei – mangels Beweisen. Bereits lange vor dem mutmaßlichen Mord soll er seine Frau geschlagen haben, immer wieder. Seher Ö. war erst 15 Jahre alt, als sie mit Hayati Ö., einem ihrer Cousins, zwangsverheiratet wurde. Sie musste aus West-Anatolien nach München umziehen. Sie bekam vier Töchter. Doch ihr Mann misshandelte sie regelmäßig.

Irgendwann war es ihr zu viel geworden: Sie floh ins Frauenhaus. Die mutige Türkin legte ihr Kopftuch ab, lernte Deutsch, fand einen Job. Irgendwann zog sie mit ihren kleinen Kindern in eine eigene Wohnung im Hasenbergl. Ein Jahr vor ihrem Tod reichte sie die Scheidung ein – dann verliebte sie sich. Es sollte ein neues Leben beginnen – mit einem neuen Mann.

Genau das aber soll ihr Ehemann nicht verkraftet haben: „Er konnte nicht akzeptieren, dass seine Noch-Ehefrau eine neue Beziehung führte“, sagt Anne Leiding. Das war aus Sicht der Staatsanwaltschaft der Auslöser. Er habe sie aus „narzisstischer Wut“ kaltblütig ermordet. Hayati Ö. habe – so der Vorwurf – seine Vorstellung über das Lebensrecht seiner Noch-Frau gestellt. Der Tatverdächtige sitzt nun erneut in Untersuchungshaft. Er streitet den Mord weiterhin ab. Allerdings war am Tatort bereits auch seine DNA gefunden worden – an einer Stelle, die für die Tathandlung relevant gewesen sei, sagt Stephan Beer vom Kriminalkommissariat 11. Das erhärtet den Verdacht.

Wie genau die Tat ablief und ob noch weitere Personen daran beteiligt waren oder davon gewusst haben, bleibt unklar. Die Ermittlungen laufen mit Hochdruck weiter.

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