Hohe Geldstrafe für Jens Lehmann

von Redaktion

VON VOLKER UFERTINGER

Starnberg – Ganz am Schluss versuchte es Jens Lehmann mit einer Charmeoffensive. „Sind Sie verheiratet? Sie sind so eine nette Frau“, sagte er zu Richterin Tanja Walter. Doch mit seinen Avancen kam er nicht durch. Die Richterin verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 420 000 Euro wegen Beleidigung, Sachbeschädigung und versuchten Betrugs. Obendrein bescheinigte sie ihm „kriminelle Energie“ und riet ihm, seine leichte Erregbarkeit in den Griff zu bekommen. „Sonst droht weiteres Ungemach.“ Ausdrücklich betonte sie zudem, dass eine Haft auf Bewährung durchaus denkbar gewesen wäre – nur der relativ geringe Sachschaden habe ihn davor bewahrt.

Nein, ein normaler Angeklagter war Lehmann – oder „Mad Jens“, wie er in seiner Zeit bei Arsenal London genannt wurde – sicher nicht. Schon am ersten Verhandlungstag hatte er den Staatsanwalt wegen der öffentlichen Verhandlung attackiert, die seinen Ruf schädige. Gestern ging er gleich zu Beginn auf die Pressevertreter zu und fragte gezielt nach dem Mann von der Bild-Zeitung. Diese hatte vor einigen Tagen einen Ausschnitt aus dem Überwachungsvideo gezeigt, das Lehmann mit Kettensäge in der Hand am Tatort zeigt. Dann wandte er sich an die Richterin und den Staatsanwalt, ob sie das Material an die Presse durchgestochen hätten. „Von uns war das sicher niemand“, antwortete Staatsanwalt Stefan Kreutzer. „Dieses Video haben inzwischen Dutzende von Menschen.“

Dass Lehmann im August dieses Jahres mit einer Kettensäge die Garage seines Nachbarn betreten und einen Dachbalken durchtrennt hatte, hat in ganz Deutschland für Aufmerksamkeit und teils für Häme gesorgt. Es passte nur zu gut ins Bild des Fußballers, der sich auf dem Feld nie so richtig im Griff hatte. Vor Gericht behauptete Anwalt Christoph Rückel, dass das Video zwar seinen Mandanten zeige, aber eben nicht die Tat. Das ließ ihm die Richterin nicht durchgehen: „Der Balken ist durchgeschnitten worden, nachdem das Video abbrach“, sagte sie in ihrer Urteilsbegründung. Sie attestierte dem Ex-Fußballer planvolles Vorgehen: „Der Angeklagte hat den Tatort ausgespäht und einen Moment abgewartet, in dem er sich unbeobachtet fühlte.“ Den Versuch des Anwalts, den Verdacht auf einen großen Unbekannten zu lenken, der den Balken durchschnitten haben soll, erklärte sie für „realitätsfern“.

Doch in der Anklage ging es nicht nur um Sachbeschädigung. Lehmann hatte zwei Starnberger Streifenpolizisten, die seinen Führerschein wegen eines einmonatigen Fahrverbots einkassierten, als Lügner bezeichnet und die Beamtin gefragt, ob sie eine „Fehlschaltung im Gehirn habe“. Außerdem ging es um Betrug: Der Ex-Kicker soll sich zwei Mal die Parkgebühren am Flughafen gespart haben (einmal 191 und einmal 128 Euro), indem er Stoßstange an Stoßstange durch eine geöffnete Parkschranke fuhr. Wie ein Zeuge von der Parkplatzverwaltung gestern aussagte, fuhr Lehmann mehrere Minuten zuvor im Kreis, bevor er jemanden fand, an den er sich dranhängen konnte.

Mit 420 000 Euro blieb das Urteil unter der Forderung von Staatsanwalt Stefan Kreutzer. Dieser begann sein Plädoyer mit dem Satz: „Mit der Säge in den Händen werden Helden zu Legenden – oder ein Ex-Profi zum Fall für die Justiz.“ Er zeichnete kein gutes Bild des Angeklagten, den er als hochgradig verhaltensauffällig bezeichnete. Er hatte zehn Monate Haft auf Bewährung gefordert. Lehmanns Anwalt sagte: „Sie schießen hier mit Kanonen auf Spatzen.“ Sein Mandant sei aktuell arbeitslos.

Mit dem Urteil ist die Strafakte von Jens Lehmann ein Stück länger geworden: 2016 war er wegen Beihilfe zur Unfallflucht und 2017 wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Ob er in Berufung geht, steht noch nicht fest. Nach der Verhandlung verließ er rasch das Gebäude.

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