KOLUMNE

VON SUSANNE BREIT-KESSLER Letzte Chance?

von Redaktion

Gut, ich bin selbst mit schuld. Trotzdem bin ich froh, dass er endlich vorbei ist. Nicht der Advent. Der war mit seinen drei Wochen eindeutig zu kurz. Sogar der Adventskranz steht verblüfft auf dem Tisch und wundert sich, dass seine Kerzen nicht heruntergebrannt sind. Das hat allerdings auch sein Gutes, denn er ist trotz seines zeitlich begrenzten Einsatzes und der sparsam eingesetzten Heizung trocken geworden. Die Gefahr, dass er in Flammen aufgeht, ist diesmal gering. Seine Kerzen dürfen ab morgen mit dem Christbaum weiter für weihnachtliche Stimmung sorgen.

Es geht um etwas anderes. Ich bin froh, dass der postalische Ansturm von Werbung und vor allem der per Mail zu Ende ist. Natürlich trage ich mit meiner Begeisterung für Newsletter dazu bei, dass mir alles Mögliche angeboten wird. Ich muss einfach mal wieder ausmisten und meine Kreuzchen unter „abbestellen“ machen. Kein Mensch braucht so viel Informationen über Konsumprodukte.

Vor allem hat mich nach dem anfänglichen Interesse daran, was ich alles kaufen und verschenken könnte, die Wortwahl verschreckt. Last chance, letzte Chance – das war die drängende Überschrift der letzten Tage. Zugreifen, schnell noch bestellen, bevor es zu spät ist. Rabatte einfangen, preisgünstige und neu reduzierte Angebote ergattern, begrenzt verfügbare Schnäppchen machen… Schnappatmung bekommt man da. Keine Luft mehr. Klar ist es schön, Geschenke zu machen und liebe Menschen einfallsreich zu bedenken. Weihnachten erzählt davon, dass Gott Mensch wird, sich selbst mit allem verschenkt, was er ist und hat, dass er Kindern, Männern und Frauen hautnah kommt. Unsere Gaben, mit Liebe gewählt oder fantasievoll selbst gemacht, sie sind ein Sinnbild dafür, dass der Himmel auf die Erde kommt: Das habe ich mir nur für dich ausgedacht, das ist mir spontan oder nach langem Nachdenken eingefallen und an deinen Worten und Wünschen aufgefallen, darin liegt mein Herz.

Der Zauber von Weihnachten: Glauben, ahnen, die Sensation empfinden, dass Leben nicht in Angebot und Nachfrage aufgeht, sondern Geschenk ist. Nicht einmal das lässt sich einfach machen. „Es muss im Leben mehr als alles geben“ heißt es in einem Kinderbuch. Es muss mehr geben und es gibt mehr als alles das, was in unserer Macht oder der anderer steht. Das ist zu spüren, wenn unsereiner mit seiner Weisheit am Ende ist, nicht mehr weiterweiß und beginnt, die eigene Hilflosigkeit zu merken – angesichts von weltweiten Krisen, von Scheitern in Partnerschaft oder Familie, von Krankheit. Es ist zu spüren, wenn man die Hände in den Schoß legen muss – um sie vielleicht im Angesicht des Kindes in der Krippe zaghaft zu falten. Letzte Chance? Nein, das Angebot steht. Für immer.

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