Haftstrafen für Betrüger-Bande

von Redaktion

Schockanruf-Prozess: Drei Abholer müssen ins Gefängnis

München – „Mama, ich habe jemanden überfahren“, schreit eine weinende Frau ins Telefon. Nennen die Angerufenen einen Namen, gibt es häufig kein Entrinnen mehr. Durch geschickte Gesprächsführung trete bei den zumeist älteren Menschen „ein Zustand ein, der rationales Denken und Handeln deutlich erschwert“, heißt es in den Anklageschriften.

Immer wieder gelingt es der Polizei, Mitglieder der aus dem Ausland agierenden Banden festzunehmen. Auch wenn es sich dabei nicht um die Anrufer, sondern um diejenigen handelt, die Vermögensgegenstände vor Ort abholen: Die Strafen sind hoch. So auch im Fall dreier Polen, die das Münchner Landgericht kurz vor Weihnachten zu Freiheitsstrafen zwischen dreieinhalb und fast sieben Jahren verurteilt hat.

Unter den Opfern: Senioren aus Starnberg, Neufahrn bei Freising, Ismaning, Münsing, Dachau und München. Am Telefon ist ihnen von wechselnden Personen, die sich als Polizisten, Anwälte oder Staatsanwälte ausgegeben haben, erzählt worden, ein naher Verwandter habe einen schweren Verkehrsunfall verursacht. Um Untersuchungshaft zu vermeiden, müsse eine hohe Kaution hinterlegt werden. Obwohl nichts davon wahr ist, ist es der Bande gelungen, die zwischen 67 und 91 Jahre alten Opfer so unter Druck zu setzen, dass sie Bargeld, Schmuck und Gold ausgehändigt haben – in einem Fall sogar Zahngold. So haben sie bei 14 Taten in Bayern und Baden-Württemberg fast eine halbe Million Euro erbeutet. Und das in nur vier Monaten.

Obwohl die 27, 36 und 46 Jahre alten Angeklagten bereits zu Prozessbeginn im November weitgehend geständig waren, hat das Gericht fast alle Opfer geladen. Kein leichter Gang für Menschen, die nicht nur um ihre Ersparnisse gebracht worden sind, sondern sich schämen, auf eine Masche hereingefallen zu sein, die nicht mehr neu ist. Manche der Senioren sollen gar so verunsichert sein, dass sie sich nicht mehr trauen, ans Telefon zu gehen.

Nach eigenen Angaben waren die Angeklagten an der Beute nicht beteiligt. Für Fahrdienste hätten sie 100 bis 250 Euro und für Abholungen 1000 Euro bekommen. Mitgemacht hätten sie nur, weil sie sich selbst in Notlagen befunden hätten: einer, weil er krankheitsbedingt seine Arbeit verloren habe. Ein anderer hat angegeben, er sei drogensüchtig und habe seine Schulden abarbeiten wollen. Ihn hat die Strafkammer in eine Entzugsklinik eingewiesen.

Dass Gerichte bei Betrügereien mit Schockanrufen generell hohe Strafen verhängen, soll der Abschreckung dienen: Zwar profitieren die Abholer im Vergleich zu den Hintermännern kaum. Andererseits funktioniert ohne sie die Masche nicht. Deshalb sollen potenzielle Abholer gewarnt sein: Die Letzten beißen die Hunde. ANDREAS MÜLLER

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