München – Die Bierkrise ist bei Martin Otter im Landkreis Ebersberg angekommen. Otter ist Geschäftsführer der Ebersberger Schlossbrauerei, die vor einigen Jahren ein Comeback feierte. Doch auch Otter bekommt zu spüren, dass der Bierdurst seiner Kunden nachgelassen hat. Er sah sich deshalb gezwungen, sein Märzenbier komplett aus dem Sortiment zu nehmen. Das leicht süßliche Lagerbier verkaufte sich einfach nicht mehr, sagt er.
Aber Bayern und Bier, das gehört doch zusammen? Nirgendwo in der Bundesrepublik gibt es so viele Brauereien wie im Bierland Bayern. Bier, das ist im Freistaat Kultur und Grundnahrungsmittel gleichermaßen. Doch seit einigen Jahren ist ein Umschwung im Bierkonsum zu erkennen – die Bayern haben trotz ihrer weltberühmten Volksfeste immer weniger Bierdurst.
Zwar liegt der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch in Bayern mit rund 115 Litern im Jahr immer noch über dem Bundesdurchschnitt von 90 Litern, wie Lothar Ebbertz, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Brauerbundes, weiß. Allerdings sei auch dieser Wert in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Zum Vergleich: Zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch noch bei rund 140 Litern. Heute also zweieinhalb Kästen Bier weniger im Jahr. Was bedeutet das für die bayerischen Brauereien?
Die Lage hatte sich nach der Corona-Krise zuletzt eigentlich etwas erholt – eine Rückkehr auf das Vorkrisenniveau ist aber nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die bayerischen Brauereien kämpfen mit Absatz- und Kostenproblemen. Selbst Branchengrößen wie Oettinger schwächelten zuletzt und mussten ihre Preise erhöhen. Oettinger kündigte gar an, künftig verstärkt auf alkoholfreie Softdrinks setzen zu wollen. Denn die gesamte Branche habe mit einer „verheerenden Kostenentwicklung“ zu kämpfen, so Ebbertz. Alles rund ums Bier sei deutlich teurer geworden: Braumalz, Hopfen, Bierfässer, Gläser, Kronkorken.
Vor allem für kleine Brauereien wird das zum Problem. So sagt Dieter Scholz, Inhaber der Kellerbrauerei Prittlbach im Kreis Dachau: „Die Leute sind nicht bereit, viel Geld für Bier auszugeben, wenn ohnehin alles teurer wird.“ Statt handwerklich gebrautes Spezialbier würden die Menschen lieber Billigbiere kaufen. Insbesondere große Brauereien, auch außerhalb Bayerns, böten ihre Biere teilweise für unter zehn Euro pro Kasten im Handel an. „Da kann ich nicht mithalten“, sagt Scholz.
Gleichzeitig sehen sich die Brauereien seit Jahren mit einem schrumpfenden Biermarkt konfrontiert. „Obwohl wir unsere Preise nicht erhöht haben, verkaufen wir weniger Bier als früher“, berichtet Martin Otter von der Schlossbrauerei Ebersberg. Gründe für die sinkende Nachfrage sind laut ihm neben der Inflation auch der Trend zu gesünderer Ernährung – und damit zum Alkoholverzicht.
Auch Alois Unertl von der gleichnamigen Brauerei in Haag spürt die Durststrecke. Als reinem Weißbier-Brauer habe ihm die Pandemie massiv geschadet, sagt er. „Da sind die Leute in die Alternativgastronomie abgewandert: Hütte, Garage, Bauwagen.“ Und da gibt’s eben Flaschenbiere, kein Weißbier, das in ein frisch gespültes Glas gehört. „Die Bierkultur hat schon gelitten“, sagt Unertl. Und auch der Absatz. Vor Corona seien sie in der Unertl-Brauerei an der Kapazitätsgrenze gewesen. „Da sind wir leider nicht wieder hingekommen seitdem.“ Aber was tun? „Gesund schrumpfen“, sagt Unertl. Er will nicht meckern. Ein Bierfahrer in seiner Brauerei wurde nicht nachbesetzt. „Das fahre ich jetzt selber.“ Man müsse halt jetzt kleinere Brötchen backen – und auf die treuen Kunden im Heimatgebiet vertrauen. „Die sichern uns das Überleben.“
Eine Lösung für manche: der Export. „Der Bierexport in Bayern ist zuletzt stark gestiegen und macht inzwischen 25 Prozent des Gesamtvolumens aus“, erklärt Ebbertz. Insgesamt kämen rund 40 Prozent der deutschlandweiten Bierexporte aus dem Freistaat. Außerdem gebe es derzeit einen Boom bei hellen Bieren, der dazu führe, dass der Markt mit dem milden Bier aus Bayern überschwemmt werde.
Selbst kleinere Betriebe setzen verstärkt auf Kunden im Ausland. Aber nicht jeder will das. Alois Unertl zum Beispiel sagt: „Für uns kommt das nicht infrage.“ Weiter als nach Österreich und Südtirol will er nicht liefern – aus Umweltgründen. Und der Biermarkt in Amerika und Asien? „Die sollen ihr Bier selber machen, das ist doch viel sinnvoller.“
Auch die Schlossbrauerei Ebersberg will einen anderen Weg gehen. „Wir setzen in Zukunft verstärkt auf Direktvermarktung und den Verkauf ab Rampe“, sagt Martin Otter. Ziel sei es, einen festen Stammkundenkreis aufzubauen. Außerdem hoffe er, dass zur Grillsaison im nächsten Jahr die Nachfrage nach besonderen Bieren wieder steigt und nicht nur die „typischen 0815-Biere“ getrunken werden.