Der Bauern-Protest wirkt – und geht weiter

von Redaktion

VON CLAUDIA MÖLLERS UND HANS MORITZ

Erding/Berlin – Es ist ein Vorgeschmack auf die Protest-Woche der Landwirte. 750 Traktoren, viele geziert von wütenden Protestschildern, rollen durch Erding und sammeln sich zu einer Großdemo. Erding, so ruft Oberbayerns Bauernverbands-Präsident Ralf Huber unter Applaus in die Menge, „ist der Anfang einer Welle“. Es wirkt so, als hätten diese und andere Aktionen plötzlich doch Eindruck in Berlin gemacht. Denn kurz nach der Erding-Demo nimmt die Bundesregierung einen Teil der umstrittenen Beschlüsse zurück.

Mitten in die generalstabsmäßigen Vorbereitungen auf die für Montag geplante Demonstration auf dem Münchner Odeonsplatz platzte am Nachmittag die Nachricht von der Teil-Rücknahme der Kürzungspläne: Die Befreiung der Kfz-Steuer für Landwirtschaft bleibt, die Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel wird bis 2026 gestreckt.

Wer in der Ampelregierung gehofft hatte, den Bauernzorn damit besänftigt zu haben, durfte sich keine 20 Minuten später eines Besseren belehrt sehen. „Dies kann nur ein erster Schritt sein“, lässt der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, wissen. „Unsere Position bleibt unverändert: Beide Kürzungsvorschläge müssen vom Tisch.“ Es gehe hier um die Zukunftsfähigkeit der Branche. Die deutschen Landwirte stellen der Politik die Gretchenfrage: „Ist die heimische Lebensmittelerzeugung überhaupt noch gewünscht?“ Wenig später war auch in der Landeshauptstadt München klar: Die Vorbereitungen auf die Großdemo am kommenden Montag laufen weiter.

Daran konnte auch das Statement des grünen Bundesagrarministers Cem Özdemir nichts ändern. Er hatte zuvor die umfangreichen Kürzungen der eigenen Regierung kritisiert und den Bauern versprochen, sich für sie stark zu machen. Doch sein Versuch, den Kompromiss als Erfolg zu verkaufen, zündet bei den Bauern nicht. Wie angespannt die Nerven sind, zeigt seine Äußerung, dass es bei den bisherigen bundesweiten Protesten der Bauern Aktionen gegeben habe, die deutlich über das Ziel hinausgeschossen seien – so gab es mancherorts massive Verkehrsbehinderungen. Im Internet haben sich Foren gebildet, die zum „Generalstreik“ aufrufen, was aber weder der Bauernverband will, noch in Deutschland ohne Weiteres möglich ist.

Die Grünen in Bayern loben den Ampelkompromiss. Fraktionsvorsitzende Katharina Schulze zeigte sich erleichtert: „Das sind gute Nachrichten aus Berlin. Unser Engagement hat sich gelohnt.“ Auf Konfrontationskurs mit den Bauern befindet sich indes die Bayern-SPD. Vorsitzender Florian von Brunn forderte vor den weiteren Bauernprotesten von der Polizei ein konsequentes Vorgehen bei Straftaten und Rechtsverstößen. Er verstehe, dass die Bauern protestieren und damit ihr wichtiges Grundrecht wahrnehmen wollten, „aber es darf natürlich nicht mit zweierlei Maß bei protestierenden Bauern und der Letzten Generation gemessen werden“, sagte von Brunn. Ihm lägen Hinweise vor, dass Landwirte planten. Autobahnen zu blockieren.

Bayerns Bauernpräsident Günther Felßner betonte gegenüber unserer Zeitung, dass die Bauern mit Anstand demonstrieren wollten. Es gebe aber linke und rechte Gruppen, die den Zorn der Landwirte für ihre Zwecke missbrauchen wollten. Sollte aber die Bundesregierung bis zum 15. Januar die Kürzungen nicht komplett zurücknehmen, denke man auch an „Eingriffe in die Infrastruktur“ – mehr will er nicht sagen. In München konferieren derweil Vertreter von Kreisverwaltungsreferat, Bauernverband, Polizei und Innenministerium weiter darüber, auf welchen Wegen die 1000 Traktoren am Montag bis 11 Uhr zum Odeonsplatz geleitet werden. Ein Verkehrschaos dürfte München sicher sein.

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