Ein goldenes Handwerk

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH

Schwabach – Lara Haferung ist mit einem dumpfen Hämmern und Dröhnen aufgewachsen. Wann immer ihr Vater am Wochenende arbeiten musste, durfte sie ihn begleiten. Die Leidenschaft für Gold hat er ihr vererbt, wie man es schlägt, hat er ihr beigebracht. „Gold hat mich immer schon fasziniert“, sagt sie. Stundenlang konnte sie dabei zusehen, wie die Walzmaschinen die Goldbarren immer länger und platter machen. Manchmal fiel ihr Blick aber auch auf das Bild an der Wand. Es zeigt ihre Urur-Oma. Auch sie hat hier schon Gold zu Blattgold verarbeitet. Daneben hängen die Meisterbriefe ihres Großvaters und ihres Vaters. „Für mich stand schon ganz früh fest, dass ich in die Fußstapfen meiner Vorfahren treten möchte“, sagt die 24-Jährige.

Und so ist es auch gekommen. Inzwischen hängt ihr Meisterbrief ebenfalls an der Wand. Zwar war ihr Vater einer der Letzten, der noch den Goldschlägermeister machen konnte. „Jetzt heißt der Beruf Vergolder“, erklärt Haferung. Die Arbeit ist aber dieselbe, wie sie seit fünf Generationen in dem Familienunternehmen Noris Blattgold im kleinen Schwabach geleistet wurde. Heute arbeiten 120 Mitarbeiter in dem Unternehmen. „Viele von ihnen haben mit 15 oder 16 Jahren hier angefangen“, erzählt Lara Haferung.

Das kleine Schwabach gilt seit dem 16. Jahrhundert als das Zentrum des Goldschlagens. Von hier aus wird Blattgold in alle Welt geliefert. Die Siegessäule in Berlin wurde mit Schwabacher Blattgold gestaltet, der goldene Reiter in Dresden, das Zugspitzkreuz, der Katharinenpalast in St. Petersburg, die Innenvergoldungen im Vatikan, der Münchner Friedensengel und die Asamkirche. Es gibt einen Grund dafür, warum Schwabach die ganze Welt beliefert. „Die klimatischen Bedingungen fürs Blattgoldschlagen sind hier optimal“, erklärt Haferung. Die Stadt liegt in einem Sandkessel, der die Luftfeuchtigkeit konstant bei 60 bis 70 Prozent hält. Wäre sie höher, würde das Blattgold kleben oder fleckig werden.

Bis das Edelmetall zu den sehr gefragten hauchdünnen Blättern verarbeitet ist, ist viel Schlagkraft nötig. Heute machen das natürlich Maschinen. Und trotzdem ist jede Menge Fingerspitzengefühl gefragt. Denn Blattgold ist empfindlich. „Die feinen Blättchen könnte keine Maschine händeln“, sagt Haferung. 10 000 Schichten Blattgold übereinander gelegt sind gerade mal einen Millimeter hoch. Das Gold, das verwendet wird, ist recycelt. Es stammt zum Beispiel aus Goldzähnen oder Batterien, erklärt die 24-Jährige. Alles wird eingeschmolzen und immer wieder gewalzt und erhitzt. Dabei entstehen die acht mal acht Zentimeter großen Blättchen, die dann auf Gebäuden oder Statuen nebeneinander festgeklebt werden. Auch das ist aufwendig, sagt Haferung. „Für einen Quadratmeter braucht man etwa eine Stunde.“ Klebt das Blattgold aber erst mal, hält es Jahrzehnte. Denn Gold ist extrem witterungsbeständig.

Das Handwerk ist Jahrhunderte alt, aber zwei Dinge haben sich nie geändert, sagt Lara Haferung. „Gold wird immer benötigt. Und es fasziniert die Menschen.“ Das merkt sie auch an den Vergoldungskursen, die ihre Familie anbietet. „Sie sind sehr gefragt. Viele Menschen wollen lernen, etwas zu vergolden.“ Dann geht es natürlich um deutlich kleinere Figuren oder Kreuze, als die, mit denen sie und ihre Mitarbeiter es sonst zu tun haben. „Vergolden ist ein kostspieliges Hobby“, sagt die Junior-Chefin, die den Betrieb irgendwann gemeinsam mit ihrer Schwester übernehmen will. Ihr nächstes Projekt wird der Heiligenschein der Madonna an der Schwabacher Kirche sein. Lara Haferung wird ihn neu vergolden. Der Gedanke, etwas zu schaffen, was Generationen überdauert, gefällt ihr. „Vielleicht stehe ich irgendwann mit meinen Kindern davor und kann ihnen sagen, dass ich das gemacht habe.“ Und vielleicht springt die Leidenschaft fürs Vergolden dabei auf die nächste Haferung-Generation über.

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