Holzkirchen – Thomas Hafeneder aus Holzkirchen ist 30 Jahre alt und hat sich 2018 als Transportunternehmer selbstständig gemacht. Gerade ist er vor allem im Winterdienst unterwegs – für den Landkreis Miesbach räumt er Kreisstraßen. Das ist ein Knochenjob, den er gerne macht. Wenn da nicht die Pöbler wären. Ein Interview über Anfeindungen auf der Straße.
Herr Hafeneder, wann beginnt Ihr Tag im Winterdienst?
Wenn es viel Schnee hat, stehe ich um drei Uhr auf. Dann gibt’s erst mal Frühstück. Mein Fahrzeug steht bei mir am Hof, deshalb kann ich danach gleich starten. Ab vier Uhr müssen wir fahren, manchmal starten wir auch früher. Eine Runde sind 44 Kilometer, dann geht es wieder von vorne los. Ich fahre zehn Stunden, dann übernimmt mein Mitarbeiter. 22 Uhr ist Schluss. Außerdem habe ich zwei Aushilfen. Liegt kein Schnee, streuen wir morgens und abends.
Das ist ein harter Job.
Ja, auf jeden Fall. Die Sicht ist schlecht, unser Pflug ist 3,02 Meter breit – viele Straßen sind so eng, dass ein Auto und ein Lastwagen schon nur knapp aneinander vorbeikommen. Aber das ist es nicht, was es anstrengend macht.
Was denn dann?
Es sind die uneinsichtigen Verkehrsteilnehmer.
Das müssen Sie erklären.
Ich war zum Beispiel am Montagmorgen unterwegs, zwischen sechs und sieben Uhr, nach der ersten Runde zum Salz auffüllen. Da hat ein Autofahrer plötzlich gehupt wie blöd und mir einen Stinkefinger gezeigt, weil ich ihm zu langsam war. Vielleicht dachte der Typ, dass ich ein Landwirt bin, der protestiert. Aber eigentlich bin ich als Winterdienst gut erkennbar. Vielleicht können die Leute einfach mal ihr Gehirn einschalten.
Kommt so was öfter vor?
Ja, leider. Wir werden oft gefragt, warum wir ausgerechnet im Berufsverkehr fahren. Ja mei! Wir fahren halt, wenn der Schnee weggeräumt werden muss. Damit die Leute in die Arbeit, die Kinder in die Schule kommen, damit die Feuerwehr zum Einsatz fahren kann. Wir leisten einen Dienst an der Gesellschaft.
Geht es Ihren Kollegen ähnlich?
Das erleben alle. Auch Schimpfwörter und Beleidigung bekommen wir hin und wieder zu hören. Es ist nicht so, dass wir jeden Tag Wortgefechte haben. Aber es gibt ständig Hupen, Stinkefinger, Faust durchs Autofenster. Viele fahren dicht auf, verstehen nicht, dass ich an einer Kreuzung auch mal wenden muss und wundern sich dann, wenn ich länger brauche, weil kein Platz ist. Bei uns geht es noch, auf den Kreisstraßen gibt es weniger Konfliktherde. Aber die Bauhof-Mitarbeiter, die in Wohngebieten räumen, werden oft angemeckert, weil sie die Einfahrt vollräumen zum Beispiel. Was sollen die schon machen? Da gibt es wirklich Leute, die mit Schneeschaufeln werfen.
Haben Sie schon mal überlegt hinzuschmeißen?
Nein. Ich mache das für mein Leben gern, es ist schön, anfangs auf den leeren Straßen unterwegs zu sein, der frische Schnee… Und ich liebe es, mit einem großen Fahrzeug zu fahren. Dreiachser-Lkw, 500 PS, Gesamtgewicht 26 Tonnen, ich habe sieben Tonnen Streusalz und 2500 Liter Sole dabei. Das macht Spaß! Aber die Toleranz der anderen Verkehrsteilnehmer nimmt stark ab. Das merke ich das ganze Jahr über.
Wie denn?
Ich habe ein Transportunternehmen, wir liefern zum Beispiel mit einem Kranlastwagen Baustoffe an. Nicht immer können wir dort gut parken, dann stehen wir halb auf der Straße, weil es nicht anders geht. Da wird gehupt, gestikuliert, geschimpft. Aber kaum einer fragt einfach mal, ob wir kurz wegfahren können. Davon abgesehen könnte man oft auch einfach so vorbeifahren. Aber jeder pocht immer gleich auf sein Recht, droht mit der Polizei.
Auf dem Land kennt man sich doch – wer grantelt Sie denn da an?
Vor allem Auswärtige, die zum Beispiel auf die Landstraße ausweichen, wenn auf der Autobahn Stau ist. Vielleicht kommen die aus Regionen, in denen weniger Schnee fällt. Oft sind sie es auch nicht gewohnt, auf den schmalen Landstraßen zu fahren, und sind viel zu schnell unterwegs. Die bleiben an engen Stellen oft auch stur stehen und lassen mich nicht vorbeifahren. Ich kann aber auch nicht einfach zwei Kilometer rückwärts fahren.
Wird auch gemeckert, wenn die Straße nicht schnell genug geräumt wird?
Ja, immer wieder. Wenn es so viel schneit wie Anfang Dezember, dann fahren wir zwar ohne Ende. Aber wenn man dann nach zwei Stunden wieder an die gleiche Stelle kommt, sieht es aus, als ob da noch nie ein Schneepflug war. Wir können uns dann anhören, dass wir wohl geschlafen haben. Dabei sind wir im Oberland wirklich gut organisiert und die Winterdienst-Dichte ist sehr hoch.
Haben Sie schon mal einen Stinkefinger angezeigt?
Nein. Am Ende hat der Typ halt einfach kein Verständnis. Man lernt über die Jahre, dass man Ruhe bewahrt. Und am Ende überwiegt die Freude an diesem verantwortungsvollen Job und das gute Gefühl, gebraucht zu werden.
Interview: Carina Zimniok