Die Moderaten gehen baden

von Redaktion

VON MARCUS MÄCKLER

München – Daniel Halemba ist nicht da, als das Urteil fällt. Er schwänzt, lässt ausrichten, er übe seine Mitgliedsrechte derzeit ohnehin nicht aus. Deshalb sei er gar nicht erst angereist, so erzählt es jedenfalls AfD-Chef Stephan Protschka, der am Abend zuvor noch mit dem 22-Jährigen telefoniert haben will. Vielleicht ist es besser so. Denn die Mehrheit der 800, die am Samstag nach Greding gekommen sind, hat genug von Halemba.

Es ist fast 16 Uhr, als der Parteitag den jungen Landtagsabgeordneten auffordert, sofort sein Mandat niederzulegen. Ein Antrag von 160 Parteimitgliedern geht klar durch: 57,6 Prozent stimmen dafür, 42,4 dagegen. Das ist deutlicher, als viele dachten. Daran halten muss sich Halemba zwar nicht. Aber der Druck auf ihn und die Fraktion, Konsequenzen zu ziehen, ist damit deutlich gewachsen.

Halemba ist das bestimmende Thema des Parteitags. Das zeigt schon die Zahl derer, die nach Greding gekommen sind – manchmal sind es nur halb so viele. Die Debatte um den stramm rechten Burschenschaftler habe die Leute mobilisiert, heißt es hier.

Und wie. Schon gegen Mittag fliegen seinetwegen die Fetzen. Da steht die Frage im Raum, ob überhaupt über ihn und die Vorwürfe, die im Raum stehen, debattiert werden soll – und ob man die Medien vorsorglich rausschickt. Die Sache ist ja auch unangenehm. Halemba soll bei der Listenaufstellung in seinem Kreisverband getrickst haben, zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Volksverhetzung gegen ihn.

Schließlich bleibt die Debatte öffentlich – und sie wird emotional. Der Fall fülle bei ihm Aktenordner, sagt Klaus-Uwe Junker, Aschaffenburger Kreisvorsitzender und einer der Initiatoren des erwähnten Antrags. „Hätte Halemba wie ein Mann sein Mandat niedergelegt, bräuchte es diesen Antrag nicht.“ Viele im Saal klatschen, andere buhen sich die Kehle aus dem Leib. Auch den Vorstand greift Junker frontal an. Der handele in der Sache „nach dem Prinzip der drei Affen: nichts sehen, nichts hören und nichts sagen“. Ein anderer nennt Protschka deshalb einen „Totalausfall“.

Der Streit um den Jung-Abgeordneten ist auch deshalb interessant, weil er den internen Riss markiert, den die Partei zuletzt ganz gut kaschierte. Halembas Kritiker sind vergleichsweise moderate AfDler, die Verteidiger kommen aus dem völkischen Lager.

Für Protschka und Co. ist das Votum eine Niederlage, kurz scheint es, als könne das auch Auswirkungen auf die Wahl des neuen Vorstands haben. Der Landtagsabgeordnete Andreas Winhart, ein eher Gemäßigter, fordert den „Flügel“-nahen Amtsinhaber heraus. Er wolle besser kommunizieren, sagt der Rosenheimer in seiner Rede. Ziel sei die „Meinungsführerschaft an den Stammtischen, in den Medien und in den Bierzelten“. Protschka holzt indes gegen Markus Söder, dem er „Angst beibringen“ wolle. Und natürlich gegen die Ampel, die auf dem „sozialistischen Vormarsch“ sei. In Bayern, ruft er, seien für die AfD bei der nächsten Bundestagswahl 20 Prozent drin. „Dann holen wir uns unser Land zurück.“

Das wirkt, Protschka gewinnt mit 58,27 Prozent deutlich gegen Winhart (39,24). „Das Flügel-Netzwerk hat mal wieder gewirkt“, sagt der Rosenheimer hinterher. Es sei eine „reine Blockwahl“ gewesen. Man sieht das dem gesamten neuen Landesvorstand an: Gerd Mannes, Stimmenkönig bei der Landtagswahl und bis Samstag der letzte Moderate im Team, wird als Stellvertreter nicht wiedergewählt. Auf allen relevanten Posten sitzen jetzt „Flügel“-Leute.

Das könnte auch für Halemba von Vorteil sein. Vor dem Parteitag verhängte der alte Vorstand gegen ihn eine zweijährige Ämtersperre. Ein Ausschlussverfahren, das die Bundesspitze gefordert hatte, gibt es aber nicht. Protschka zufolge ist so ein Verfahren zwar „definitiv nicht vom Tisch“. Es könne, je nach Ausgang der Ermittlungen wegen Volksverhetzung, „der nächste Schritt“ sein. Sein Vize Martin Böhm, auch stellvertretender Fraktionschef, sieht das anders. „Wir müssen den Karnickeln in den Parlamenten den verdienten Nackenschlag versetzen und nicht unseren eigenen Parteikameraden“, ruft er einmal in den köchelnden Saal. Intern glaubt man, dass Halemba auch sein Mandat behalten will. Winhart: „Der Ball liegt jetzt bei Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner.“

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