Banz – Vergessen zu können, ist in der Politik eine Gnade. Vermutlich erinnert sich in der CSU niemand mehr gern an die Tagung auf Kloster Banz 2010. Da kam der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg zu den Landtagsabgeordneten, sie erlagen seinem Charme. „Ich begrüße den Größten aller Zeiten“, witzelte Regierungschef Horst Seehofer an der Pforte, als er den Gast empfing. Zu Guttenberg warb in seiner Rede für ein Aus der Wehrpflicht. Und keiner widersprach ihm.
Alter Ort, neue Zeit: Seit gestern tagt die Landtagsfraktion wieder im fränkischen Kloster. Wieder geht es um die Wehrpflicht. Aber diesmal darum, den Scherbenhaufen zusammenzukehren, den Guttenberg und seine alles abnickenden Parteifreunde vor weit über einem Jahrzehnt angerichtet haben. Das erste große Thema der Klausur: Wie kann man die personell ausgemergelte Truppe wieder besser aufstellen, und wie den gesellschaftlichen Schaden des weggebrochenen Zivildienstes mindern?
Diesmal ist ein weniger strahlender, aber unbestritten kompetenter Gast geladen: Generalinspekteur Carsten Breuer, Deutschlands oberster Soldat, diskutiert mit dem Fraktionsvorstand. Der General, einem SPD-Minister und der Ampel-Regierung unterstellt, äußert sich öffentlich nur vorsichtig. „Wir leben in Zeiten, wo wir feststellen, dass wir Sicherheit nicht mehr nur outsourcen können“, sagt er im Schneetreiben vor dem Kloster in die Kameras. Die Bundeswehr müsse „kriegstüchtig werden“. Dazu brauche sie Unterstützung aus der Bevölkerung und generell eine „wehrhafte Gesellschaft“. Auf die „Aufwuchsfähigkeit“ der Bundeswehr müsse man achten. Breuer sagt, man müsse sich andere Wehrpflicht-Modelle ansehen, vor allem den schwedischen Weg, flächendeckend wieder zu mustern. Von Zeitplänen sei man aber weit entfernt.
Intern, so berichten Abgeordnete, wird der General deutlicher. Breuer stellt sich klar hinter eine Art Dienstpflicht („staatspolitisch“) und hinter eine Musterung, hält aber eine Rückkehr zur alten Wehrpflicht für ineffektiv.
In der Politik gehen die Meinungen dazu wild durcheinander. Verteidigungsminister Boris Pistorius denkt ebenfalls ans schwedische Modell. Es besagt in der Realität, dass zuletzt unter zehn Prozent der Gemusterten tatsächlich einen Dienst (freiwillig) antraten. Lars Klingbeil, SPD-Chef und Soldatensohn, hält indes erkennbar wenig von einer Wehrpflicht-Debatte. Er finde, „dass ein Zwangsdienst nicht zeitgemäß ist“, sagte Klingbeil unlängst.
Die gastgebende CSU hat ein eigenes Konzept entwickelt. Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek wirbt nun offen für ein „verpflichtendes Gesellschaftsjahr“, sechs bis sieben Monate lang für Männer und Frauen gleichermaßen – bei der Bundeswehr, in Vereinen oder sozialen Einrichtungen. Ehrenamtliches Engagement während der Schulzeit bei Vereinen, Parteien, Feuerwehr soll angerechnet werden. Als Dank locken kostenlose Tickets für Bus und Bahn, Rentenpunkte, Fortbildungen, leichterer Zugang zu Studiengängen oder Vorrang bei zinsgünstigen KfW-Darlehen. CSU-Chef Markus Söder hatte sich zuletzt für die Rückkehr zur Wehrpflicht mit einer Dauer von mindestens sieben Monaten ausgesprochen. Er hält das ohne Verfassungsänderung für zügig umsetzbar.