Chaos im Wald nach Schnee und Regen

von Redaktion

VON KATRIN WOITSCH UND CARL-CHRISTIAN EICK

München – Als Robert Nörr neulich im Wolfratshauser Bergwald unterwegs war, hat er mehr gezählt, als ihm lieb war. Knapp 20 Buchen sind umgestürzt, einige von ihnen waren 120 Jahre alt, alle waren gesund. Einem Förster wie ihm blutet bei so einem Anblick natürlich das Herz. Auch viele alte Eichen haben der enormen Schneelast Anfang Dezember nicht standgehalten. „Trotz ihrer tiefen Wurzeln“, sagt Nörr. Er ist im Dienst der bayerischen Forstverwaltung unterwegs und neben Wolfratshausen auch für die Wälder in Icking und Egling zuständig. Hier haben Schnee und Wind schlimme Schäden angerichtet. „Es sind die schwersten seit fünf Jahren“, sagt Nörr.

Schäden durch Schnee und Wind gibt es in ganz Bayern. „Inzwischen ist es zwar nicht mehr gefährlich, die Wälder zu betreten“, sagt Hans Ludwig Körner von der Waldbesitzervereinigung Bayern. Aber es sind noch lange nicht alle umgestürzten Bäume aufgeräumt. Und das treibt den Waldbesitzern bereits die nächsten Sorgenfalten auf die Stirn. Denn so wie die Wälder jetzt aussehen, bieten sie dem Borkenkäfer bei milden Temperaturen im Frühjahr die idealen Bedingungen, sich zu vermehren. Spätestens bis dahin müssen alle umgestürzten Bäume abtransportiert sein.

Die vielen Niederschläge haben die Situation nicht besser gemacht. „Wenn das Erdreich stark aufgelockert wird, beeinflusst das die Standfestigkeit vieler Bäume“, erklärt Körner. Bisher sind die schweren Stürme, die es häufig zu Jahresbeginn gibt, ausgeblieben. Ein Glück für die Waldbesitzer – es gibt auch so schon genug zu tun. Auch in den Staatsforsten wird derzeit mit Hochdruck daran gearbeitet, Käferholz aus den Wäldern zu schaffen.

Ob die vielen Schäden Auswirkungen auf die Brennholzpreise haben, traut sich Körner noch nicht zu prognostizieren. „Die Holzpreise orientieren sich eher an den Energiepreisen und an der Nachfrage“, sagt er. Und die sei aktuell noch gering, weil sich viele Menschen zu Beginn der Energiekrise Vorräte angelegt hatten und der Winter bislang mild war.

Viele Waldbesitzer treibt gerade eher eine andere Frage um: nämlich wie der Wald der Zukunft aussehen muss, um besser auf Klimaveränderungen vorbereitet zu sein. Klar ist: „Wir brauchen Mischwälder. Je größer die Vielfalt, desto kleiner das Risiko, dass sehr viele Bäume umstürzen oder absterben.“ Denn nicht nur die Winter sind eine kritische Zeit – sondern auch extreme Hitzephasen im Sommer. „Die Bäume speichern Hitzeschäden über Jahre“, erklärt Körner. Viele Buchen leiden noch heute unter den extremen Sommern 2018 und 2019. „Manche Buchen schmeißen ganze Äste Totholz ab. Auch viele Kiefern leiden ebenfalls noch an den Folgen.“

Der Wald der Zukunft beschäftigt nicht nur die Waldbesitzer, sondern auch die Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. Der Zustand der Wälder habe sich seit 2022 in ganz Bayern verschlechtert, berichtet Sprecher Dirk Schmechel. Viele Baumkronen seien lichter, viele Bäume zeigen Trockenschäden – daran ändern auch die jetzt vollen Wasserspeicher nichts. „Selbst die Buchen, die uns lange als beste Lösung erschienen, haben extrem gelitten.“ Eichen würden zwar viel Trockenheit vertragen, haben aber vermehrt mit dem sogenannten Prachtkäfer zu kämpfen. „Und der wird immer schädlicher.“

Schmechel geht davon aus, dass Bayerns Wälder der Zukunft ein neues Gesicht bekommen werden. Viele fast vergessene Baumarten wie die Flatterulme oder die Edelkastanie werden wieder vermehrt angepflanzt, prognostiziert er. „Auch Birken halten sehr viel aus.“ Die LWF experimentiert auch mit Baumarten aus anderen Ländern, zum Beispiel trockenheitsresistenten Flaumeichen, Schwarzkiefern aus dem Mittelmeerraum oder der nordamerikanischen Douglasie. „Der Wald wird bunter und gemischter werden“, sagt Schmechel. „Reine Kieferngebiete, wie es sie vor allem in Ostbayern gibt, werden verschwinden.“ Es sei wichtig, den Wald rechtzeitig und gezielt umzubauen, sagt der Experte. „Sonst entstehen waldfreie Flächen – und es dauert sehr lange, bis Wald auf natürliche Weise nachwächst.“

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